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Stumme Zeugen

Titel: Stumme Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
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hatte er je gesehen oder gekauft.
    Während er suchte, musste er weiter über die Ereignisse dieses Morgens nachdenken, wo ihm durch Zufall nicht nur seine Exfrau, sondern auch J. J. über den Weg gelaufen war. Schon während der Fahrt nach Kootenai Bay hatte er wegen der Geschichte mit Annie und William das Gefühl gehabt, aus allen vertrauten Verhältnissen herausgerissen worden zu sein; jetzt, in diesem nur scheinbar vertrauten Supermarkt, nahm dieses Gefühl der Fremdheit noch zu. Alles erschien ihm sonderbar. Der einzige altbekannte Artikel in seinem Einkaufswagen war der für ihn bestimmte Copenhagen-Kautabak.
    Jess schob den Wagen zur Kasse, in dem sich bei ihm noch nie so viele bunte Artikel befunden hatten. Er freute sich darauf, die Kinder wiederzusehen und für sie zu kochen.
Früher hatte er sich immer Enkel gewünscht, und die Situation mit Annie und William erschien ihm ähnlich. Nach allem, was die beiden durchgemacht hatten, durfte er sie ruhig ein bisschen verwöhnen. Er würde die Hinweise auf der Packung lesen und ihnen die Pizzabrötchen machen, was immer man sich darunter vorzustellen hatte.
    Danach musste er sich darüber Gedanken machen, wie er sich weiter verhalten sollte.
    Jemand stieß mit seinem Einkaufswagen gegen seinen Rücken, und als er über die Schulter blickte, strahlte ihn Fiona Pritzle an. »Wie geht’s, schöner Mann?«, fragte sie mit ihrer Kleinmädchenstimme.
    Jess nickte ihr zu. Auch das noch.
    »Heute schon die Zeitung gelesen? Sie haben ein Interview mit mir gemacht, wegen der Taylor-Kinder. Und ein Foto von mir gebracht.«
    In ihrem Einkaufswagen sah er neben tiefgefrorenen Pizzen, einer Dose Cola Light und Kosmetikartikeln ein Dutzend Exemplare der Zeitung.
    »Möchten Sie eine haben?«
    »Hab sie im Panhandle gelesen.«
    »Wie finden Sie das Bild? Meiner Ansicht nach lässt die Beleuchtung zu wünschen übrig. Ich habe Schatten im Gesicht.«
    »Das Foto ist okay.« Er hoffte, dass die in ihrem Portemonnaie suchende Frau vor ihm endlich ihre Karte fand. Wie kam es, dass bestimmte Frauen immer überrascht zu sein schienen, ihre Einkäufe an der Kasse tatsächlich bezahlen zu müssen?
    »Der Artikel ist aber ziemlich gut. Sie zitieren mich erstaunlich
korrekt. Ich hatte darum gebeten, mir den Text vorzulegen, bevor die Zeitung in Druck ging, aber sie haben gesagt, so was gebe es bei ihnen nicht. Morgen gebe ich CNN ein Interview, auch Fox News hat angefragt. Die Teams sind schon unterwegs und müssten irgendwann heute Abend hier eintreffen. Seit die Großfahndung ausgelöst wurde, ist das wirklich eine Topstory.« Sie warf ihr Haar zurück. Offenbar glaubte sie, über wichtige Insiderinformationen zu verfügen. »Außerdem warte ich darauf, dass sich der Lokalsender aus Spokane meldet. Sie haben ziemlich ausführlich über diesen Fall berichtet, und ich bin sicher, dass auch sie mit der Person reden möchte, die die Kinder zuletzt lebend gesehen hat. Ich muss nach Hause und meinen Anrufbeantworter abhören. Vielleicht haben sie vergessen, dass ich ihnen auch meine Handynummer gegeben habe. Hoffentlich rufen sie nicht morgen an, wenn ich im Fernsehen bin oder die Post ausfahre.« Sie zog ihr Handy aus der Tasche und schaute auf das Display. »Nein, hier hat sich bisher niemand gemeldet.«
    Jess dachte über ihre Worte nach. Die Person, die die Kinder zuletzt lebend gesehen hat.
    »Dann glauben Sie nicht, dass man die Taylor-Kinder lebend finden wird?«, fragte er. Die Frau vor ihm hatte ihre Karte gefunden, stritt sich aber jetzt mit der Kassiererin über den Preis eines Salatkopfes.
    »Ich möchte nicht zu viel sagen, weil ich bei diesem Fall mittlerweile für eine Art Expertin gehalten werde.« Sie schaute sich um, ob jemand mithören konnte. »Aber ich glaube, dass sie ein Sexualverbrecher in seiner Gewalt hat. Oder hatte. Meiner Ansicht nach ist es nur eine Frage der
Zeit, bis ihre Leichen gefunden werden. Und es würde mich kein bisschen wundern, wenn sich dann herausstellt, dass diese Kinder … missbraucht wurden.«
    Jess blinzelte sie an. »Ein Sexualverbrecher?«
    Sie legte einen Finger auf die Lippen. »Nicht so laut. Es könnte jemand mithören.«
    »Sir?«
    Jess drehte sich um. Die Kassiererin blickte ihn an, und er packte dankbar seine Artikel auf das Band. Er bemerkte, dass Fiona Pritzle seine exotischen Einkäufe aufmerksam inspizierte.
    »Was wollen Sie denn damit?«
    Jess errötete. Ihm fiel keine passende Antwort ein. »Wollte mal was Neues ausprobieren«,

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