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Stumme Zeugen

Titel: Stumme Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
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Auto kam näher, dann wurde der Motor abgestellt. Das Schlagen einer Tür.
    »Sie sind direkt vor dem Haus«, sagte Annie. Dann fiel ihr etwas ein. »Der Fernseher! Er läuft noch!«
    William kroch unter dem Schreibtisch hervor, fand die Fernbedienung auf dem Couchtisch und drückte versehentlich auf den Lautstärkeregler, statt den Fernseher auszuschalten. Der Ton des Zeichentrickfilms hallte durch das leere Haus, dann hatte er den richtigen Knopf gefunden. Annies Herzschlag hätte fast ausgesetzt. William ließ die Fernbedienung fallen und kroch auf allen vieren zu ihr.
    »Es tut mir leid«, flüsterte er.
    Sie warf ihm einen wütenden Blick zu.
    Jemand pochte so heftig an die Tür, dass in der Küche ein paar Teller klapperten.
    »Hallo, ist da jemand?«
    Sie blickten sich an. Eine tiefe Männerstimme.
    »Hallo! Machen Sie auf. Hier ist die Polizei von Kootenai Bay.«
    »Was sollen wir tun?«, schien Williams Blick zu sagen.
    Annie legte einen Finger auf die Lippen.

    »Ich habe den Fernseher gehört. Bitte machen Sie auf. Ich muss Ihnen ein paar Fragen stellen.«
    Sie erkannte den schwachen mexikanischen Akzent des Mannes, der mit Mr Swann geredet hatte, während sie zu dessen Füßen in dem Pick-up kauerten.
    William vergrub das Gesicht in den Händen, und Annie klopfte ihm auf den Rücken, um ihm Mut zu machen.
    »Hallo!« Das Klopfen wurde noch energischer.
    Danach hörten sie den Mann an der Klinke rütteln. Er versuchte, ins Haus zu gelangen. Dann Stille.
    William kroch noch weiter unter den Schreibtisch. Annie hörte ihn schnüffeln und wusste, dass er gegen die Tränen ankämpfen musste.
    An einem der Fenstervorhänge glitt eine dunkle Silhouette vorbei. Annie war sich sicher. Er war es, der Dunkelhäutige, einer der Mörder, ein stämmiger Mann mit einem großen Kopf und Schnurrbart. Sie hatte keine Lust, es William zu erzählen.
    Der Mann ging an dem zweiten Fenster vorbei, kam zurück und blieb stehen. Er hatte die Hände in die Hüften gestemmt, und durch den Vorhang sahen seine Ellbogen ein bisschen aus wie Flügel. Er presste die Nase gegen die Scheibe, beschirmte die Augen mit den Händen und versuchte, durch den Schlitz zwischen den Vorhängen einen Blick in das Zimmer zu werfen. Da sie ihn nicht sehen konnte, nahm Annie an, er könne sie auch nicht sehen. Aber sie musste ein paar angsterfüllte Augenblicke überstehen, bis sie es begriffen hatte.
    Schließlich ging der Mann weiter. Das Geräusch seiner Schritte hallte über die Veranda, dann war es still. Ein paar
Sekunden später knirschte der Kies auf dem Weg neben dem Haus.
    Er wollte sein Glück an der Hintertür versuchen.
    Hatte Mr Rawlins sie abgeschlossen? Er hatte etwas davon gesagt, aber sie hatte ihn nicht im hinteren Teil des Hauses verschwinden sehen.
    »Bereite dich darauf vor, dass wir abhauen müssen, William«, flüsterte sie.
    Der Mann rüttelte an der Hintertür. Sie war abgeschlossen. Wieder das laute Klopfen. »Machen Sie endlich auf«, brüllte er. »Hier ist die Polizei!«
    Sie fragte sich, ob es dem Mann gelingen würde, die Tür aufzubrechen. Wahrscheinlich schon, dachte sie. Der Dunkelhäutige war kräftig, und die Tür wirkte nicht besonders stabil.
    Dann war er verschwunden. Wieder Stille. War er weg?
    Nein, sie hatte den Motor nicht anspringen gehört.
    Wieder schob sich der Schatten vor das Fenster. Ein leises Ächzen, das Abblättern von Farbe. Er versuchte, das Fenster zu öffnen.
    Nach ein paar Augenblicken gab er auf. Er seufzte laut und marschierte zum nächsten Fenster.
    »Ich hol eins von den Gewehren«, schluchzte William.
    »Nein«, flüsterte sie. »Du kannst es nicht mal laden.«
    »Ich hab im Fernsehen gesehen, wie man das macht.«
    Sie dachte an die Munitionsschachteln in dem Waffenschrank. Woher sollte er wissen, welche Patronen in welche Waffe mussten?
    Der Mann hatte auch beim zweiten Fenster keinen Erfolg. Gott sei Dank hatte Mr Rawlins sie fest verschlossen.

    Sie sah, wie der Dunkelhäutige sich umdrehte und seine Jacke abklopfte. Die Geräusche eines Handys. Er wählte.
    »Wo zum Teufel bleibst du, Newkirk?«, hörten sie ihn fragen.

Sonntag, 13.04 Uhr
    Für zwanzig Minuten arbeitete Jess die Einkaufsliste ab, die Annie aufgestellt hatte. Er schob den Wagen durch Gänge des Supermarkts, die ihm völlig unbekannt waren. Zweimal musste er eine Angestellte fragen, wo die Artikel zu finden seien. Frosted Flakes, Säfte, tiefgefrorene Pizzabrötchen, Käsesticks, ringförmige Semmeln. Nichts davon

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