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Stummer Zorn

Stummer Zorn

Titel: Stummer Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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Art Allein unterhalterin. Cully war offensichtlich ein bißchen verwundert über meine aufgedrehte Laune, aber er versuchte, spielerisch daran Teil zu haben. Ich versuchte sogar, mich der Leidenschaft hinzugeben; und im Laub gelang mir das eine verblüffende Stunde lang.
    Ich sagte mir immer wieder, Don werde am Montag abend für eine ganze Woche die Stadt verlassen. Wenn bis zu seiner Abreise nichts geschah, würde ich eine Woche Zeit haben, um nachzudenken, eine Woche, um zu entscheiden, was ich tun mußte und wem ich die Treue halten sollte - Mimi oder Barbara.
    Ich lag den größten Teil der Sonntagnacht wach und wartete. Diese quälenden Stunden waten die Strafe für meine Unentschlossenheit. Jeden zweiten Montag morgen hatte ich, während ich in meinen Kursen saß oder die Gänge entlanglief, schreckliche Angst davor, daß jemand zu mir kam und sagte: „Oh, Nickie, hast du das von dem Mädchen letzte Nacht gehört ..."
    Bis zum Vormittag, als mich Barbara im Studentenzentrum aufsuchte, um mir zu erzählen, daß Theo Blutgruppe 0 hatte, wie Don und Kommissar Tendall, schien das kaum eine Rolle zu spielen. Ich war froh darüber, daß sie es eilig hatte, da sie zu einem Termin mit einem Studenten mußte. Um die Aufrichtigkeit wenigstens teilweise zu wahren, erzählte ich ihr von Charles' weichen Knien, was Blut betraf. Aber ich erwähnte Don mit keinem Wort.
    Um fünfzehn Uhr wußte ich, daß das Flugzeug der Houghtons vom Flughafen in Memphis gestartet war. Ich saß in der Bibliothek und war damit beschäftigt, die Spitze meines Bleistifts abzubrechen und ihn dann wieder anzuspitzen, sehr zum Unbehagen der Studenten um mich herum. Ihre Gesichter wurden sogar noch reservierter, als ich die Augen schloß und ein kurzes, stilles Thanksgiving-Gebet sprach.
    Nun hatte ich Zeit.
    In dieser Nacht vertiefte ich mich in das Referat, das in dieser Woche fällig war und ins Lernen für die eine noch ausstehende Prüfung. Cully lachte über meine Lesebrille und tippte mein Referat für mich ab, während ich lernte.
    „Deine Handschrift ist furchtbar, aber das Referat ist sehr gut", sagte er, und ich merkte, wie ich vor Freude rot wurde. Ich tauchte wieder in meine Bücher ab, ebensosehr, um mich vom Nachdenken abzuhalten wie für eine gute Note.
    Ich trottete nach der Prüfung am Dienstag nach Hause, meine Augen füllten sich durch den beißenden Wind mit Tränen, und fand Markowitz auf den vorderen Treppenstufen wartend vor. Es war fast, als hätte ich ihn hergewünscht. Dadurch, daß die Prüfung aus dem Weg war, kreisten meine Gedanken wieder unaufhörlich um mein Dilemma. „Sie sehen besser aus", sagte er anerkennend. „Wie fühlen Sie sich, Schätzchen?"
    „Um einiges besser", log ich. Ein paar Tage zuvor wäre es die Wahrheit gewesen. Ich lächelte. Er sah immer noch müde und der Welt überdrüssig aus, aber er hatte etwas Heiteres an sich, das ich genoß. Es war eine beachtliche Veränderung. „Ich hatte keine Ahnung, daß sie so eine Schönheit sind", gab er zu, als ich die Vordertür aufschloß. Ich bat ihn herein. Nachdem er Kaffee und Cola abgelehnt hatte, ließ ich mich auf dem Sofa nieder und fragte, was ich für ihn tun könne. „Gibt es etwas Neues?" fragte ich hoffnungsvoll. „Na ja, nicht viel, aber immerhin etwas", sagte er. Ich wußte, es gab einen Grund für seine Heiterkeit. „Wir haben eine wirklich große Menge an Leuten ausgeschlossen. Nun, sie werden vielleicht denken, daß das noch nicht viel bedeutet", sagte er, als er sah, wie mein Gesicht ernst wurde. „Aber in der Ermittlungsarbeit ist das sehr viel. Es ist nicht wie in den Büchern. Je früher wir Verdächtige ausschließen können, falsche Verdächtige, desto eher können wir den richtigen fassen, und ich habe so hart und so lange an diesen Fällen gearbeitet, daß ich mich einfach dafür entschied, darüber froh zu sein."
    Noch während er mir dies erzählte, verschwand seine aufgesetzte Fröhlichkeit. „Ich habe selbst eine Tochter, wissen Sie", sagte et leise. „Wir tun alles, was wir können. Also habe ich mich entschlossen, noch mal vorbeizukommen; ich weiß, es ist schwer für sie, darüber nachdenken zu müssen ..."
    Was hatte ich anderes getan?
    „... aber ich dachte, ich frage noch einmal, ob es irgend etwas, irgend eine winzige Sache gibt, an die Sie sich seit unserem letzten Gespräch erinnert haben. Als ich Sie das letzte Mal sah, war es gerade erst eine Woche her. Ich dachte, daß Ihnen vielleicht mittlerweile etwas

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