Stunde der Vergeltung (German Edition)
standen.
»Sveti! Sveti!«, krähte Rachel freudig. Sie vergaß Janos vollkommen, streckte die Ärmchen aus und sprang auf sie zu.
Das Mädchen fing sie auf, schloss sie fest in die Arme und murmelte leise Zärtlichkeiten, während sie ihr Gesicht mit Küssen bedeckte.
»Kommst du aus der Ukraine?«, fragte er Sveti in ihrer Muttersprache. »Rachel auch?«
Sie schenkte ihm ein schüchternes Lächeln, das ihm sehr traurig schien. »Rachel und ich waren Zellengenossinnen im Gefängnis«, lautete ihre überraschend offene Antwort. »Kann ich sie zum Spielen mit rüber zu den anderen Kindern nehmen?«, fragte sie Tam auf Englisch, aber mit schwerem Akzent.
»Klar«, antwortete Tamara. »Bring sie zurück, sobald etwas serviert wird, von dem du glaubst, dass sie es essen würde, oder wenn du eine Pause brauchst. Danke, Sveti. Du bist ein Engel.«
Das Mädchen ging davon, den Kopf über den des Kindes gebeugt, um seinem aufgeregten Gebrabbel zuzuhören.
Val schaute Tam forschend an. »Zellengenossinnen?«
Sie zuckte die Achseln. »Genau wie sie es dir gesagt hat. Sie wurden monatelang von Organpiraten in einem stinkenden Kellerverlies festgehalten. Seither ist Sveti für Rachel das, was einer echten Familie am nächsten kommt. Ich lasse sie einfliegen, sooft sie kann, um uns zu besuchen. Entschuldige mich. Da Sveti gerade auf Rachel aufpasst, werde ich die Chance nutzen, um die Damentoilette aufzusuchen.«
Val folgte ihr mit dem Blick, bis sie verschwunden war. Es gefiel ihm nicht, sie aus den Augen zu lassen, aber er konnte Rachel von seinem Platz aus noch immer sehen, und er war sich sicher, dass Steele nicht ohne das Kind türmen würde.
Er wandte sich wieder seinen Tischnachbarn zu. »Organpiraten?«, fragte er ganz allgemein in die Runde.
»Sie meinen, Tam hat Ihnen nicht gesagt, wie sie zu Rachel gekommen ist?«, fragte die sinnliche rothaarige Schönheit, die neben Davy McCloud saß, staunend. »Es ist eine ganz unglaubliche Geschichte.«
Er schüttelte den Kopf. Die Frauen überschlugen sich schier, um ihm von der Rettung der Waisenkinder zu berichten. Steele hatte sich, nur in silbernes Elastan gehüllt, in die Höhle des Löwen gewagt, sich als Stripperin ausgegeben und vorgespielt, sich auf dem Weg zu einem Junggesellenabschied verirrt zu haben, um die Wachen abzulenken, während das restliche Team in das Gebäude eingedrungen war. Sie hatte ohne fremde Hilfe vier Wachposten ausgeschaltet, bevor sie Alarm auslösen konnten, sodass es Nick und den anderen möglich wurde, einzugreifen und die Schurken gerade noch rechtzeitig zu stoppen, bevor sie Sveti gerade das Herz herausschneiden konnten.
Er kannte die Geschichte, aber den Schilderungen dieser Frauen zu lauschen, maß den Informationen eine völlig andere Qualität bei. Diese Menschen bewunderten Steele, und sie mochten sie. Sie vertrauten ihr sogar – auf vorsichtige Weise.
»Beeindruckend«, kommentierte er.
»Ja, das ist sie«, bestätigte ein blonder Mann, den Val durch seine Videoüberwachung als Sean McCloud identifizierte. »Tam ist besonders. Man sollte sich nicht mit ihr anlegen.«
Val quittierte die unverblümte Warnung mit einem Nicken. »Das käme mir nie in den Sinn«, versicherte er höflich. »Besonders nicht, wenn sie sich im Kreise derart entschlossener, loyaler Freunde befindet.«
Es trat ein spannungsgeladenes Schweigen ein. Die Leute am Tisch wechselten vielsagende Blicke. Val lächelte in die Runde und trank von seinem Wein.
»Mr Janos ist daran interessiert, ›Tödliche Schönheit‹ in Europa zu vermarkten«, unterbrach Erin die Stille.
Das zog eine weit weniger emotionale Unterhaltung nach sich, die Val geschmeidig mit nur zehn Prozent seiner Gehirnleistung bewältigen konnte, während der Rest mit fieberhafter Planung beschäftigt war.
Sobald er nicht mehr im Zentrum der Aufmerksamkeit stand, entschuldigte er sich und verließ den Festsaal. Er musste einen Ort finden, um das Szenario vorzubereiten, das sich heute Abend abspielen würde. Die Minikamera hatte er diskret unter seinen Arm geklebt. Es musste jetzt passieren, andernfalls würde Imre …
Nein . Val durfte auf keinen Fall an Imre denken. Er musste weltmännisch und entspannt wirken und bloß nicht verzweifelt. Diese Frau würde Verzweiflung zehn Meter gegen den Wind riechen. Er musste sie unter einer dicken Schicht undurchdringlichen Charmes verbergen. Und trotzdem blitzte das Wort durch seinen Kopf wie ein Stroboskop. Jetzt, jetzt, jetzt .
Ein langer
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