Sturm auf mein Herz
ihm schwer gemacht, seine mühsame Beherrschung auch weiterhin zu bewahren.
»Ich lebe in L.A., so oft ich kann«, erwiderte er.
»Gefällt es dir hier?«
Er begann wieder ein wenig Hoffnung zu schöpfen. In ihrer Stimme lag echte Neugier anstelle der enervierenden Neutralität, die sie gebrauchte, seit sie entdeckt hatte, dass er beruflich auf Reisen war.
Sein Mund unter dem kastanienbraunen Schnurrbart verzog sich zu einem leichten Lächeln.
»Ja, es gefällt mir«, antwortete er. »Ich weiß, ich bin damit hoffnungslos out, aber so ist es nun mal.«
Sie konnte nicht anders, als nun ebenfalls zu lächeln. Keiner mochte L.A., und falls doch, gab er es jedenfalls nicht zu. Es war so etwas wie eine gesellschaftliche Verpflichtung, Los Angeles zu hassen. Jeder, der »in« sein wollte, tat es und war noch stolz darauf.
Aber ein Mann wie Cain schert sich einen Dreck um »in« oder »out«, modern oder altmodisch, dachte sie. Das hatte sie sofort gewusst, nachdem er sie eine alte Jungfer genannt und dann in die Schublade »Frau, die keinen Mann halten kann« gesteckt hatte.
Ja, höflich war Cain nicht gerade.
Aber er traf die Dinge auf den Punkt.
»Was gefällt dir an L.A.?«, erkundigte sie sich.
»Freiheit. Technik. Gutes Essen. Buchläden. Das Meer. Die endlosen Autoschlangen.«
»Und was gefällt dir nicht an der Stadt?«
»Das Übliche. Ein Stau, wenn ich in Eile bin. Smog, wenn ich die Berge sehen möchte. Die vielen Menschen, wenn ich lieber allein wäre. Der Lärm, wenn ich lieber Stille hätte.«
»Und dann gehst du wieder.«
Es klang eher wie eine Anschuldigung als eine Feststellung.
»Manche Menschen laufen davon, indem sie an einem Ort bleiben«, sagte er und blickte sie dabei viel sagend an. »Man nennt das verstecken.«
»Ich arbeite aber nicht für >manche Menschern. Ich arbeite für dich. Und du läufst auf die übliche Weise davon.«
Shelley hörte das Echo ihrer eigenen Worte. Nicht sehr professionell. Nicht sehr geschäftsmäßig.
»Tut mir Leid«, sagte sie mit ihrem besten professionellen Lächeln. »Das kam jetzt gar nicht gut raus. Jeder braucht mal Abwechslung. Männer mehr als Frauen, wie ich höre.«
Mit diesen Worten legte sie ihre Speisekarte beiseite und griff nach ihrem ledergebundenen Notizbuch.
Cain griff nach seiner Beherrschung.
Das Klicken ihres zierlichen Kulis erklang in der Stille wie ein Startschuss.
Er klappte die Zähne mit einem nur für ihn hörbaren Geräusch zusammen.
»Was tust du?«, fragte er täuschend milde.
»Ich schreibe mir deine Vorlieben und Abneigungen auf«, sagte sie ungerührt. »Das hilft mir, mein Gedächtnis aufzufrischen, wenn ich die Kataloge durchsehe.«
»Aha.« Dann, in gepresstem Ton: »Hier ist was, woran du arbeiten kannst. Ich hasse ledergebundene Notizbücher und kleine, goldene Kugelschreiber, die klick machen.«
Shelleys Hand verharrte, und ihr Kopf zuckte hoch. Ihre rehbraunen Augen waren weit aufgerissen, überrascht, fast golden im Widerschein der Kerzen. Behutsam verstaute sie ihr Notizbuch und ihren Kugelschreiber in ihrer Handtasche.
»Vielleicht«, sagte sie, »bin ich ja doch nicht die Richtige, um deinem temporären Heim Wärme zu geben.«
Cain lachte bitter auf. Wärme? Im Moment war er so heiß auf sie, dass es wehtat. Aber das sagte er nicht laut. Er wollte nicht sehen, wie sie ihm ein bedeutungsloses Lächeln schenkte und aus seinem Leben spazierte. Und das würde so sicher passieren, wie er gewusst hatte, dass sie zornig war, als er sie als Frau bezeichnete, die keinen Mann halten konnte.
Wenn sie ihren Ex mit nur halb so viel Leidenschaft geküsst hat wie mich, muss er ein absoluter Idiot gewesen sein, dass er nach der von ihr erwähnten »Abwechslung« gesucht hat.
Er räusperte sich, und es gelang ihm, nicht mit den Fingern aufs Tischtuch zu trommeln; dann nahm er seine Speisekarte zur Hand.
»Ich wollte nicht unhöflich sein«, sagte er, um Beschwichtigung bemüht. »Ich bin nie besonders gut gelaunt, wenn ich Hunger habe.«
»Dann sollten wir besser bestellen.«
Cain schaute in seine Speisekarte. Egal, wie sehr er auch suchte, eine Vorspeise namens »Shelley Wilde« fand er darin nicht. Seufzend versuchte er, sich mit dem Gedanken an eine Fastenperiode unbestimmter Länge abzufinden.
»Wie steht’s mit einer Vorspeise?«, erkundigte er sich.
»Ich kann mich nicht zwischen den gefüllten Champignons und Austern entscheiden.«
Sie leckte sich erwartungsvoll die Lippen.
Er beobachtete, wie ihre
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