Sturm auf mein Herz
Wein, stellte das Glas beiseite und begann zu essen.
Gerade als Shelley schon glaubte, davongekommen zu sein, stellte er ihr eine weitere, fast beiläufige Frage.
»Wie lange warst du von deinen Eltern weg, als du geheiratet hast?«
»Zwei Jahre.«
»Einsam?«
»Schrecklich«, gestand sie gepresst.
»Gemietetes Apartment, Zusehen, wie die anderen um einen herum leben und die überwältigende Sehnsucht nach einem eigenen Heim.«
Ihre Gabel klirrte laut gegen den Teller.
»Wieso fragst du überhaupt, wenn du die Antworten sowieso schon kennst?«, fragte sie zornig.
Lange, harte Finger strichen über ihre Hand, die die Gabel viel zu fest umklammert hielt.
»Ich war auch einsam, als ich geheiratet habe, so wie du«, sagte er. »Ich wollte ein Heim, so wie du. Und wie du hab ich das Eine mit etwas anderem verwechselt. Es war nicht die Art Liebe, auf der man ein ganzes Leben aufbaut.«
Dann, mit derselben ruhigen Stimme, sagte er: »Dürfte ich deinen Lachs mal probieren?«
Automatisch bot sie ihm das Stück Fisch an, unter das sie soeben die Gabel geschoben hatte. Sein Mund öffnete sich, dann schlossen sich seine Lippen sauber über den Gabelzinken. Sie fühlte den leichten, sinnlichen Widerstand, als sie ihre Gabel aus seinem Mund herauszog. Das Silber war glänzend sauber, und seine Augen ließen die ihren keine Sekunde lang los.
»Dein Dad hatte Recht«, sagte er mit leicht heiserer Stimme.
»Was?«
»Essen schmeckt besser von der Gabel einer Frau.«
»Cain -«
»Das ist eine sehr geschäftsmäßige Feststellung. Sie verrät dir, dass dein Dad und ich etwas gemeinsam haben. Willst du das jetzt in dein Notizbuch schreiben?«
Auf einmal fühlte sie sich zornig und ängstlich, wie ein Tier, das in der Falle saß. »Ich habe noch nicht versprochen, deine Wohnung zu dekorieren. Ich habe so schon mehr als genug Arbeit.«
Seine Pupillen wuchsen, bis seine Augen eher dunkel als hell wirkten, eher stählern als silbergrau.
»Aber du musst dich meiner Wohnung annehmen«, erklärte er ausdruckslos.
»Wieso?«
»Weil ich ein Mann bin, der ein Zuhause braucht, und du eine Frau, die dieses Zuhause gerne für mich machen würde.«
Sie konnte den Blick von seinen sich ständig verändernden grauen Augen nicht losreißen - erst klar, dann verschleiert, dann silbern und jetzt beinahe schwarz. Langsam, beinahe widerwillig erkannte sie, wie gerne sie an seiner Wohnung arbeiten wollte. Er war viel zu komplex, zu individualistisch, um sich mit ein paar Standardskulpturen oder Ölgemälden einfangen zu lassen. Er stellte eine geradezu erregende berufliche Herausforderung für sie dar.
Was er wirklich will, ist mich verführen, kein gemütliches Heim, ermahnte sie sich grob. Aber er wäre nicht der erste
Klient, der glaubt, ich sollte zusammen mit dem Bett zu vermieten sein. Hinter mir waren schon Experten her, Männer wie Brian und mein Ex, Männer, die glauben, die Welt dreht sich nur um Sex.
Wie Cain sagte, die Zeit war kein Totalverlust. Ich habe viel gelernt.
Und was Shelley gelernt hatte, war, dass sie sich lieber mit einem Katalog von Sotheby’s ins Bett kuschelte als mit einem Mann.
Abrupt entschied sie, sich Cain lange genug vom Leib halten zu können, bis sie sich der faszinierendsten Herausforderung ihres Berufslebens gestellt hatte - ein zivilisiertes, emotional befriedigendes Heim für die Art von Mann zu schaffen, der Zufriedenheit nur in der dauernden Jagd nach dem Land hinter dem nächsten Horizont fand.
»In Ordnung. Ich mach’s«, sagte sie.
Sein Lächeln war von derart wilder Befriedigung, dass sie ihre Entscheidung sofort bereute. Sie war drauf und dran, es sich anders zu überlegen, doch ihr Stolz und ihr gesunder Menschenverstand hinderten sie daran.
Ich kann mein Wort nicht mehr zurücknehmen. Außerdem bin ich sicher, Cain ist ein Wanderer mit Haut und Haar. Er wird gar nicht lang genug da sein, um mir das Herz zu brechen.
Irgendwie fand sie diese Aussicht gar nicht so tröstlich.
8
Am nächsten Tag inspizierte Shelley ihr künftiges Arbeitsfeld. Cains Wohnung, ein großes Penthouse ganz oben in einem Wolkenkratzer im Stadtteil Century City, besaß eine atemberaubende Aussicht. Der Blick schweifte ungehindert in die Ferne, begrenzt nur durch die Kurve des Horizonts oder den Smog, je nachdem, was zuerst kam.
Heute jedoch blies der heiße, kräftige Santa-Ana-Wind und verlieh dem natürlichen Becken, in dem die Metropole Los Angeles entstanden war, eine fast wüstenhafte Klarheit.
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