Sturm auf mein Herz
bekommen.
Alte Jungfer. Eine, die keinen Mann halten kann.
»Du magst Frauen wohl nicht sehr?«, fragte Shelley leise.
Wobei sie gerade erst entdeckt hatte, wie sehr auch sie eine Frau war.
15
Die Stille dehnte sich so lange, dass Shelley schon dachte, Cain würde ihre Frage nicht beantworten. Doch dann fuhr er sich seufzend durch die zerzausten Haare und begann zu sprechen.
»Viele Frauen sind nur auf Macht aus«, erklärte er. »Sie wollen jeden Mann haben, der ihnen über den Weg läuft. Aber sie wollen nicht wirklich den Mann. Sie wollen, dass der Mann sie will.«
Er wirkte auf einmal sehr angespannt. Shelley fühlte, dass seine Muskeln ebenso hart waren wie die Linie seines Mundes. Er sah sie offen an.
»Ich habe Frauen lange nicht gemocht«, gestand er. »Dann sah ich eine in einem Sonnenstrahl stehen, mit einer Schlange um den Arm. Sie ging so sanft mit mir um ...«
Er zeichnete mit dem Daumen die Linie ihrer Augenbrauen nach.
»Und genauso sanft ging sie mit einem einsamen Jungen um«, sagte er mit bedächtiger, tiefer Stimme. »Sie hatte keinen Grund, nett zu sein, nichts sprang dabei für sie heraus. Sie war eben einfach eine liebevolle Frau.«
»Eine alte Jungfer, die keinen Mann halten kann?«
Er lachte und strich mit warmen Lippen über ihre Stirn.
»Da war ich nun, total fasziniert von dir«, sagte er, »und du konntest deine Nase gar nicht hoch genug halten, wenn du mich ansahst. Ja, ich war ziemlich vergrätzt.«
»Es wäre mir nie in den Sinn gekommen, dass du über JoLynns äußere, äh, Reize, hinaussehen könntest.«
»Ihre Titten meinst du?«
»Nicht zu vergessen ihren Arsch.«
»Schon vor langer Zeit. Man nennt das erwachsen werden.«
Shelleys Lächeln erlosch, als sie den Ernst in Cains Augen entdeckte.
»Genau deshalb war ich so fasziniert von dir«, sagte er. »Du bist einfach echt, authentisch. Keine Spielchen, keine Lügen. Du bist grundehrlich. Ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben, eine solche Frau zu finden.«
Sie nahm seine Hand und küsste seine Handfläche. Dann biss sie sie.
Er lachte und streichelte ihr mit dem Daumen über die Lippen.
»Als ich sah, wie du die Kerzen auf Billys Geburtstagskuchen angezündet hast, wusste ich, dass ich unbedingt herausfinden musste, wie es ist, eine wirklich liebevolle Frau in meinem Bett zu haben.«
»Und wie war’s?«, fragte sie gespielt leichthin. Aber in ihren Augen, mit denen sie ihn ansah, lag ein wenig Furcht.
»Durch dich habe ich gelernt, dass Träume wahr werden können«, sagte er schlicht.
»Manche Träume sind Albträume.«
»Nicht dieser hier. Endlich habe ich eine Frau gefunden, die sowohl stark als auch zart, klug und ehrlich, kultiviert und wild ist.«
Er küsste sie zärtlich. Als er sie wieder freigab, legte sie den Kopf zurück und blickte ihm direkt in die Augen.
»Cain, ich bin nicht wild. Ich bin eine Hauspflanze.«
»Schau durch diese Mauer aus Glas, und sag mir noch mal, dass du nicht wild bist.«
Sie schaute an seiner Brust vorbei zu den hohen Fenstern des Gästezimmers, von denen aus man einen atemberaubenden Blick auf die steil abfallenden Hügel hatte. Auch wenn sie es nicht wahrhaben wollte, musste sie sich eingestehen, dass dieses Land sie tief berührte, auf eine Weise, die sie nicht in Worte fassen, aber genauso wenig leugnen konnte.
Bald würde die Dämmerung hereinbrechen, und mit ihr käme die feuchte Luft vom Meer herauf und würde die heißen Santa-Ana-Winde ablösen. Die würzige Seeluft würde Leben in das leere, ausgedörrt daliegende Land bringen, kühle, nach Chaparral duftende Luft, die in die heißen Abhänge wehte und Erlösung brachte. Das Wild würde herauskommen, würde sich vorsichtig aus dem dichten Gebüsch wagen. Waschbären würden antapsen, um einen erfrischenden Trunk aus ihrem Pool zu nehmen, gefolgt von Opossums. Manchmal würde sie sogar ein Stinktier mit seinem leuchtend weißen Streifen vorbeihuschen sehen.
Und immer wieder Kaninchen, die beim leisesten Laut erstarrten, immer auf der Hut vor Kojoten, die auf der Jagd wie dunkelgraue Schatten durch die Nacht glitten.
Das war für Shelley die schönste Zeit des Tages, wenn die Sonne ihren Würgegriff um das Land allmählich löste. Alles glühte dann in einem magischen, überirdischen Licht, das sie lockte, sich doch auf den Weg zu machen, hinaus in die wilden Hügel, und dort zu wandern, wo der Mensch nur selten hinkam.
Cain beobachtete ihr Gesicht, während sie auf das Land hinausblickte, und wusste,
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