Sturm auf mein Herz
dass er Recht hatte. Ob sie es nun laut zugab oder nicht, sie war zu ehrlich, um ihre Reaktion zu verbergen. Sie liebte die Wildnis, wo Tiere weiter verbreitet waren als der Mensch und es mehr Wind als Leben gab.
»Ich mag eben eine gute Aussicht«, lenkte sie achselzuckend ein. »Na und? Das mag doch jeder.«
»Was eine gute Aussicht ist, ist Geschmackssache.«
»Und das heißt?«
»Das heißt, dass sich die Fenster in diesem Haus mehr dem Land zu orientieren als den Lichtern der Stadt.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich kann die Lichter in der Nacht sehen.« »Das kannst du, ja. Aber was du wirklich genießt, ist der freie Blick auf das Land.«
»Viele Leute bevorzugen einen ungehinderten Blick auf die Landschaft. Deshalb sind die Grundstücke am Meer ja so teuer. Heißt das denn, dass jeder, der am Strand lebt, gleich auch in der Wildnis leben möchte?«
Der herausfordernde Ton in ihrer Stimme ließ ihn innehalten, aber nur kurz. Was er ihr klarzumachen versuchte, war zu wichtig, um es unter den Teppich zu kehren.
Selbst wenn sie dies offensichtlich wollte.
»JoLynn hat ihre Fenster mit Vorhängen verhängt, weil sie zu dumm und zu oberflächlich ist, um die Sicht auf das wilde Meer schätzen zu können«, erwiderte Cain ruhig. »Du hast Glaswände gewählt, die von der Stadt fort auf das freie, wilde Land weisen, weil du in dem Meer von Asphalt und Beton etwas Ursprüngliches, Ungezähmtes sehen musst.«
Sie warf ungehalten den Kopf in den Nacken.
Er ignorierte den Wink.
»In dir ist etwas Wildes«, sagte er. »Das kannst du nicht verbergen. Wieso solltest du das überhaupt wollen?«
Sie versteifte sich unter seiner streichelnden Hand, verschloss sich vor ihm, ohne dass er es merken sollte.
Natürlich merkte er es. Er spürte es ebenso deutlich, wie er ein stärkeres Pochen seines eigenen Herzens verspüren würde. Er hielt sie mit den Augen fest.
»Wieso leugnest du, dass du kein totales Hauspflänzchen bist?«
»Weil es wahr ist.«
»Da musst du mir schon eine bessere Erklärung geben.«
Sie regte sich unbehaglich. »Ich liebe die Hügel wegen ihrer Brauntöne und der Art, wie das Licht sie verändert. Sie sind herrlich wie die schönsten, von Menschen geschaffenen Kunstwerke.« »Aber du liebst sie, gerade weil sie nicht von Menschenhand geschaffen wurden. Diese Hügel sind ursprünglich, ungezähmt.«
Sie blickte halb trotzig, halb ängstlich zu ihm auf.
»Du irrst dich. Ich bin eine reine Hauspflanze.« Sie versuchte, ihren Worten mit einem Lächeln die Spitze zu nehmen. »Die Menschen sind nun mal ganz unterschiedlich. Nimm dich zum Beispiel. Ein großer, kantiger Wandersmann.«
Und der schönste Mensch, den ich je gesehen habe.
Cain stockte der Atem, als er sah, wie traurig ihr Lächeln wurde. Ihre Augen glänzten seltsam hell, als würden sie in Tränen schwimmen. Sein Bauchgefühl sagte ihm, dass sie schon wieder versuchte, sich von ihm zu verabschieden.
»Du kannst das, was wir haben, nicht so einfach beiseite schieben«, erklärte er bestimmt.
»Wer hat gesagt, dass es einfach ist?«
Bevor er antworten konnte, legte sie die Hand auf seinen Mund.
»Nein, bitte nicht«, sagte sie. »Wir können nicht ändern, was wir sind. Aber wir können zumindest zusammen sein, nicht wahr? Für eine Weile?«
»Für immer. Ich liebe dich.« Er berührte mit der Fingerspitze ihre Lippen.»Und das habe ich auch noch nie zu einer Frau gesagt. Dass ich sie liebe.«
Seine Worte durchströmten Shelley, Tod und Wiedergeburt zugleich, veränderten sie, veränderten alles, ob sie es nun wollte oder nicht. Tränen zitterten auf ihren Wimpern. Sie wusste nicht, ob sie lachen, weinen, schreien oder einfach davonlaufen sollte, vor der ernsten Aufrichtigkeit in Cains Silberaugen.
Eine Hauspflanze und ein Wandersmann. Auf ewig vereint.
Das wird niemals funktionieren.
Ihn zu verlieren wird mehr wehtun als alles, was ich je erlebt habe.
»Cain ...«
Sie klang ganz klein, ganz ängstlich.
Er küsste sie behutsam.
»Weine nicht. Sobald du weißt, warum du dich vor dem Freien, Wilden in dir fürchtest, wirst du wissen, dass du mich ebenso liebst wie ich dich.«
Sie schüttelte den Kopf, musste an sich halten, um nicht die Grausamkeit des Lebens zu verfluchen, die einen Jungen wie Billy mit einer Mutter wie JoLynn bedachte und eine Hauspflanze mit einem Wurzellosen.
Cain setzte sich auf und betrachtete die schlanke, dunkelhaarige Frau, die, wie er gerade gelernt hatte, nicht nur überwältigend
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