Sturm auf mein Herz
Silberaugen. »Bist du an der Reihe mit Denken?«
»Ja.«
»Und was denkst du?«
»Dass ich ein großer Anhänger der Symmetrie bin.«
»Symmetrie, hm? Wusste nicht, dass man das so nennt. Jetzt ich.«
Mit einem viel versprechenden Lächeln wollte sie sich über seine Hemdknöpfe hermachen.
Er packte jedoch ihre suchenden Finger und biss sie, nicht allzu sanft, in die Handflächen. Dann erhob er sich und zog sie gleichzeitig mit auf die Füße.
»Genug gespielt, Kätzchen. Kann eh kaum noch gerade stehen.«
»Das war kein Spiel.«
»Das weiß ich. Das macht mich ja gerade so verrückt. Komm. Ich hab eine Idee.«
»Symmetrie?«
»Ja. Kühles Wasser und ein heißes Kätzchen.«
»Klingt nicht, als ob’s zusammenpasst.«
»Keine Angst, ich sorge schon dafür, dass es klappt.«
Lachend machte sie einen Schritt, zuckte dann zusammen und rieb sich das Hinterteil. Das Sitzen auf dem harten Felsgrund hatte es ganz taub gemacht.
»Jetzt, wo ich wieder denken kann«, sagte sie, »lässt Felsgestein als Stuhl oder Bett doch sehr zu wünschen übrig.«
»Nicht bequem genug, hm?«
»Kannst du laut sagen.«
Trotz ihres noch leicht hektischen Atems begann Shelley die Sachen zusammenzusammeln und in den Rucksack zu stopfen. Jede ihrer Bewegungen zeugte von ihrer Ungeduld, von diesem Felsabsatz herunter und wieder in Cains Armen zu sein.
Zu spät merkte sie, dass die Taschenlampe ganz unten im Rucksack steckte. Flüche in allen möglichen Eingeborenensprachen vor sich hin murmelnd, wühlte sie in dem Rucksack herum. Er lachte laut auf, als er sie hörte.
»Los, überlass die Sache dem Denker in der Familie«, sagte
er.
»Dem Henker?«
»Was? Du weißt doch, wie harmlos ich bin.«
»Ja, ungefähr so harmlos wie ein hungriges Krokodil.«
Sie warf ihm den Rucksack zu, und er erwischte ihn am Riemen und grub sich zum kalten Metallzylinder der Taschenlampe durch. Triumphierend hielt er die Lampe hoch.
»Ich würde ja einen Kuss als Finderlohn verlangen«, sagte er mit tiefer Stimme, »aber ich trau mir nicht über den Weg.«
Ihre Lippen öffneten sich gegen ihren Willen, und sie schloss die Augen, um seinen wunderschönen, verlockenden Mund nicht mehr sehen zu müssen.
»Das macht schon zwei, denen man nicht trauen kann«, sagte er und drückte ihr die Taschenlampe in die Hand. »Hier. Dreh das mal auf anstatt pausenlos mich.«
»Immer diese leeren Versprechungen.«
»Stimmt aber. Soll ich’s dir beweisen? Aber ich warne dich, du würdest unten liegen.«
Einen Moment lang schwebte sie ernsthaft in Versuchung. Das zeigte sich in ihrem leichten Zucken, als wolle sie sich in seine Arme stürzen.
Dann jedoch wandte sie sich entschlossen um und begann rasch mit dem Abstieg.
17
Shelley benötigte die Taschenlampe kaum, um den Nachhauseweg zu finden. Der Mond hatte seinen Bronzeschleier abgelegt. Jetzt war er eine flache, silbern funkelnde Scheibe, die hell über das Land leuchtete.
Überraschend viel Mondlicht durchdrang das dichte, übermannshohe Gebüsch. Nur am Grund der Schlucht war es vollständig finster, als ob die Nacht die Abhänge heruntergeronnen und sich in der Senke gesammelt hätte, um sich gegen den Mond zu wappnen.
Das Plätschern des Wasserfalls drang den trockenen Abhang zu ihnen hinunter, flüsternd kühle Erlösung verheißend.
Neben Mondlicht und Wasserrauschen drang auch der schwere, süße Duft von Blumen durchs Buschwerk.
Cain beobachtete die nächtliche Umgebung mit wachen, aufs Höchste geschärften Sinnen. Er liebte die wilden, unberührten Orte dieser Erde. Der Ort, den Shelley sich als Zuhause ausgewählt hatte, gehörte dazu.
Aber das sieht sie nicht, dachte er. Es ist überall, um sie herum, in ihr, und sie will es nicht wahrhaben.
Er hoffte, dass sie sich mit dem Vergolden seiner Wohnung Zeit ließ. Er wusste nicht, wie lange es dauern würde, bis sie einsah, wie gut sie füreinander waren.
Falls sie es je einsah.
Sie wird, schwor er sich. Sie muss. Sie kann nicht so wild sein in meinen Armen und sich selbst für zahm halten.
Aber reden macht alles nur noch schlimmer. Es gibt andere Methoden, ihre Ängste zu umgehen. Sie vergisst alles, zahm oder wild, wenn wir uns lieben.
Heftige Vorfreude ließ sein Herz schneller schlagen.
Als sie sich dem Rand von Shelleys Grundstück näherten, spürten sie, wie die trockene Luft auf einmal feuchter wurde von der Verdunstung des Wasserfalls. Der Pool schimmerte einladend in der Dunkelheit.
»Halleluja«, begeisterte er sich.
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