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Sturm auf mein Herz

Titel: Sturm auf mein Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Lowell
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Nach einer Minute holte sie tief und zittrig Luft und sprach weiter, denn sie wollte, dass er ihre unendliche Sehnsucht nach einem richtigen Zuhause begriff.
    »Erst Jahre später wurde mir klar, wie viel Mut der Mann bewiesen hat, indem er überhaupt so nahe ans Zelt kam.«
    »Er war ein Moslem?«
    »Ein sehr gläubiger sogar. In seiner Kultur ist der Tod der Preis, den man dafür zahlt, wenn man allein im Zelt mit der Frau eines anderen ist. Das wusste ich nicht. Alles, was ich wusste, war, dass ich vor Angst fast starb und dass der Mann davonrannte. Mom hat mich nicht mehr erkannt. Ich hatte Angst, sie allein zu lassen, also setzte ich mich neben sie und hielt weinend ihre Hand. Bis auch mich das Fieber packte.«
    Shelley löste ihren Klammergriff um seine Unterarme. Sie lehnte sich erschöpft mit dem Rücken an seinen Oberkörper und zog seine Arme wie einen wärmenden Umhang um sich.
    »Dad kam kurz vor Sonnenaufgang zurück. Der Mann war nicht nur einfach fortgerannt. Er hatte sich auf ein Kamel gesetzt und meinen Dad im Mondlicht aufgespürt. Sie haben die Tiere beinahe zu Tode gehetzt, um zu uns zu gelangen.«
    Mit einem bebenden Seufzer rieb sie die Wange an Cains Arm und erzählte ihre Geschichte zu Ende.
    »Wir haben alle überlebt. Aber als ich wieder aufwachte, habe ich mir etwas geschworen. Wenn ich erwachsen wäre, würde ich nie, nie wieder an einen Ort gehen, wo, wenn ich um Hilfe rief, als Antwort nur unverständliche, fremdländische Laute kämen. Ich würde mir einen Ort suchen, an dem die Leute mich verstanden, und ich würde nie mehr fortgehen.«
    Cain fürchtete sich zu sprechen, fürchtete, Shelley zu weit zu drängen, was das Thema Verständigung und Sicherheit und ein Zuhause betraf.
    »Wie hat deine Mutter auf all das reagiert?«, fragte er schließlich.
    Sie zuckte die Schultern. »Danach hat sie einfach dafür gesorgt, dass eine einheimische Frau mit im Lager war, wenn wir moslemische Helfer hatten«
    »Eine, die Englisch sprechen konnte?«
    »Das war Mom egal. Sie wollte bloß jemanden dahaben, der den Männern im Notfall verständlich machen konnte, was wir brauchten.«
    »Eine sehr praktische Frau, deine Mutter«, lobte er.
    Shelley zögerte, dachte über seine Worte nach.
    »So habe ich’s noch nie betrachtet«, gestand sie. »Wenn ich Mom gewesen wäre, wäre ich auf’s nächstbeste Kamel geklettert und hätte mich aus dem Staub gemacht.«
    »Ohne deinen Vater?«
    Tief seufzend gab sie sich geschlagen.
    »Nein. Mom liebt Dad mehr als alles auf der Welt. Muss sie wohl. Der Himmel weiß, wie viel sie seinetwegen in Kauf genommen hat.«
    »Ich wette, sie liebt die Wüste auch.«
    »Das stimmt. Sie und Dad hatten die schlimmsten Auseinandersetzungen, wenn sie auf Erkundung gehen wollte. Manchmal schlichen wir uns, sie und ich, einfach fort und ritten in die Wüste hinaus, nur um der unendlichen Stille zu lauschen.«
    Cain stockte der Atem bei der Vorstellung, dass sich seine Frau und sein Kind ganz allein in die weiten, weglosen Wüsten dieser Welt wagten.
    »Das war verdammt töricht von euch«, sagte er gepresst. »Kein Wunder, dass dein Dad ausrastete.«
    Sie schüttelte lachend den Kopf.
    »Du klingst schon wie er. Mom war nicht töricht. Was die Wüsten angeht, kannte sie sich aus wie eine Einheimische. Und sie konnte reiten wie eine Araberin, hat auch mir das Reiten beigebracht. Ich war in der Wüste mit ihr besser aufgehoben als in einem Taxi in einer großen Stadt.«
    Er dachte darüber nach und nickte dann. »Deine Eltern gefallen mir. Wo sind sie im Moment?«
    »An einem gottverlassenen Ort irgendwo an der Küste Südamerikas, wo es oft jahrelang nicht regnet.«
    »Die Atacama-Wüste.«
    »Du warst schon dort?«
    »Einmal. Kurz. Trockener und verlassener als dieses Fleckchen Land ist höchstens der Mond, das kann ich dir versichern.«
    »Ja, klingt genau nach Dads Kragenweite«, erwiderte sie. Dann flüsterte sie: »Noch etwas, das ich noch nie gemacht habe.«
    »Was?«
    »Ich habe noch nie mit jemandem über den Fiebermond gesprochen, nicht mal mit Mom. Aber ich hatte Albträume deswegen, habe sie immer noch. Die absolute Hilflosigkeit ist einfach entsetzlich.«
    »Wieso? Du hast doch jetzt ein Zuhause, einen Ort, an dem die Leute dich verstehen. Die Albträume sollten dich nicht länger berühren können.«
    Cains sachliche Worte wirkten erneut wie Kiesel in Shelleys stillem Teich der Überzeugungen. Eine Welle von Zweifeln überkam sie.
    Erschreckende Zweifel.
    Er fühlte,

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