Sturm der Barbaren
Weile, dann bewegt er sich auf die äußerste linke Ecke des Tisches zu.
An jedem Platz befinden sich ein brauner Teller und ein schwerer Weinkelch – aus Glas, nicht aus Kristall oder Metall. Das Essen wird von Lanzenkämpfern serviert, die grüne Übertuniken tragen. Auf der ersten Platte, die zuerst dem Kommandanten angeboten wird, häufen sich Rindfleischscheiben mit brauner Soße. Auf der zweiten Platte werden gelbe Nudeln hereingetragen. Dann kommen vier große Körbe mit dunklem Brot, die mit gebührendem Abstand voneinander auf dem Tisch verteilt werden. Die nächste Schüssel ist mit etwas Grünem gefüllt.
Lorn nimmt sich so viel, wie er sich traut: Fleisch, Nudeln, Brot und Ackar, ein bitteres Blattgemüse, von dem er als kleiner Junge zu viel hatte essen müssen. Ein Dienstbote füllt sein Kelchglas mit kastanienbraunem Wein.
Kommandant Thiataphi erhebt das Glas und die anderen Offiziere beginnen zu essen. Lorn folgt ihrem Beispiel und lauscht gleichzeitig ihren Unterhaltungen.
»Weiße Pferde kommen besser mit der Sonne zurecht … Chaos-Farben, wisst Ihr, und Weiß reflektiert besser …«
»… dunkle Decken schützen sie besser …«
»… und warum armen die Braunen schwerer und schäumen eher?«
»… da haben wir’s, Helkar …«
»… ist jetzt sowieso egal … im Winter …«
Lorn nimmt einen Bissen von dem zerkochten Fleisch und probiert dann einen Mund voll von den viel zu weichen Nudeln. Der Wein, obwohl es ein einfacher Roter ist, schmeckt viel besser als Fleisch und Nudeln zusammen. Lorn isst alles auf, was auf seinem angeschlagenen braunen Teller liegt, dann wartet er, bis die höheren Offiziere fertig sind und einen Nachschlag nehmen.
»… Späher haben gesehen, dass die Jeranyi die Stämme im Osten zusammentrommeln … die nördlich von den Cupritminen.«
»Einige von ihnen tragen bereits polierte Eisenschilde – die sind fast so gut wie die Spiegelschilde gegen die Feuerlanzen … und Pfeile mit Eisenspitzen …«
»Ihre Bögen sind nicht sehr gut, nicht im Sattel.«
»Und doch …«
»… sollten dort einmarschieren und die Eisenminen übernehmen …«
»Wenn Ihr unbedingt eine Eisenvergiftung wollt … nur zu, Helkar. Außerdem können die Barbaren das Metall nicht bearbeiten.«
»Durch das Erz wird man nicht vergiftet … erst wenn es geschmolzen und zu Waffen geschmiedet ist … Lieber die Minen dicht machen, als eine Eisenvergiftung und den Ordnungs-Tod riskieren.«
Lorn setzt ein höfliches Lächeln auf, wenn er nicht gerade kaut, und hört sich alle Ansichten der Lanzenkämpfer an. Zum Teil verwundern ihn die irrigen Annahmen schon sehr, die jedoch weit verbreitet zu sein scheinen, selbst unter den Offizieren.
Die Platten und Schüsseln, die von den Dienstboten noch einmal aufgefüllt wurden, finden ihren Weg auch zu Lorn, der sich ein weiteres Mal Fleisch und eine ordentliche Portion von den Nudeln mit Soße nimmt. Nach zwei Bissen von dem Nachschlag hält er inne, um sich etwas von dem feuchten braunen Brot abzubrechen.
»Unteroffizier? Lorn’alt, nicht wahr?«, ruft Kommandant Thiataphi.
Lorn schluckt schnell hinunter. »Ja, Ser.«
»Ihr stammt aus Cyad, habe ich Recht?«
»Ja, Ser.«
»Wie gefällt es Euch im Norden?«, fragt der Kommandant.
»Der Winter ist wärmer, als ich dachte, Ser.« Lorn lächelt höflich.
»Deshalb sind die Barbaren ja auf unser Land aus. Jedenfalls ist das ein Grund. Auf der anderen Seite der Grashügel liegt Schnee. Zumindest war das im letzten Achttag noch so, wenn man dem Bericht von Sub-Major Brevyl Glauben schenken darf. Vergesst nicht, eine Winterjacke und Winterstiefel mitzunehmen.«
»Nein, Ser. Das werde ich nicht.« Lorn muss sich eingestehen, dass er an keins von beiden gedacht hat, und er hofft, dass sein Gesichtsausdruck diese Unwissenheit nicht preisgibt.
»Ihr stammt aus einer Lanzenkämpferfamilie?«
»Nein, Ser.« Lorn beschließt, seine Herkunft nicht ungefragt auszuplaudern.
»Ach stimmt«, ruft Thiataphi und lacht schallend. »Ihr seid einer der Magiergeborenen, die gut mit dem Schwert umgehen können.« Er schüttelt den Kopf. »Schadet den Magi’i nicht, einmal hinaus ins Grenzland zu fahren, um zu sehen, was die Barbaren hier anrichten.«
Lorn weiß nicht, was er darauf antworten soll, und nickt nur.
»Ihr werdet es schon noch sehen. Sub-Major Brevyl selbst wird dafür sorgen, dass Euch alles gezeigt wird. Genau wie er es allen anderen hier auch gezeigt hat. Außer mir, denn ich wiederum habe
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