Sturm der Verfuehrung
über Charlies Antrag nach.«
Sarah nickte. Sie war wie betäubt. Das Atmen fiel ihr schwer. Langsam drehte sie sich von ihrer Mutter weg und setzte sich zögernd in Bewegung.
Charlie hörte Schritte jenseits der Tür und kehrte dem Fenster gerade rechtzeitig den Rücken, um zu sehen, wie der Türknauf gedreht wurde. Gebannt beobachtete er, wie die Tür sich öffnete und die junge Frau eintrat, die er zu seiner Ehefrau gewählt hatte.
Sie war mittelgroß, doch ihre schlanke - aber durchaus sinnlich gerundete - Gestalt ließ sie größer wirken. Vorwitzige, aus ihrem Nackenknoten entwischte, goldbraune Strähnen umrahmten das herzförmige Gesicht mit den fein gezeichneten Zügen und dem makellosen Teint. (Die winzigen Sommersprossen auf dem Nasenrücken betrachtete er nicht als Beeinträchtigung.) Die hohe Stirn, die gerade Nase, die geschwungenen, braunen Brauen und langen Wimpern malten zusammen mit den rosigen Lippen und dem hübsch modellierten Kinn ein Bild mädchenhafter Schönheit.
Ihr Blick war ungewöhnlich direkt, und wenn sie sich bewegte, tat sie dies mit angeborener Grazie.
Die Hand auf dem Türknauf stand sie da und ließ den Blick durch den Raum schweifen.
Ihre Augen verengten sich leicht, und sogar auf die Entfernung spürte er ihre Unsicherheit, doch als sie ihn entdeckte, zögerte sie nur eine Sekunde, bevor sie, ohne den Blick von ihm zu wenden, die Tür schloss und auf ihn zukam.
Ruhigen Schrittes, mit heiterer Miene, jedoch die Finger ineinander verschränkt.
Sie konnte seinen Antrag unmöglich erwartet haben - er hatte ihr keinerlei Hinweis darauf gegeben, dass er auch nur darüber nachdachte, sie zu heiraten. Als sie sich das letzte Mal getroffen hatten -im November auf dem Hunt Ball -, hatte er einen Walzer mit ihr getanzt und etwa eine Viertelstunde die üblichen Artigkeiten mit ihr ausgetauscht. Das war alles gewesen.
Mit Bedacht. Er wusste schon seit Jahren, dass sie ihn nicht mehr mit kindlichen Augen sah. Dass es ein Leichtes für ihn wäre, mit einem Lächeln und ein paar gezielten Worten ihre Schwärmerei für ihn zu Faszination zu steigern. Nicht, dass sie sich jemals etwas hätte anmerken lassen, aber er kannte die Frauen - und vor allem sie - gut genug, um zu wissen, was unter ihrer kühlen, glatten Oberfläche, der heiteren Gelassenheit schwelte. Doch er hatte eine Entscheidung getroffen - nicht einmal, sondern viele Male im Lauf der Jahre: dass er nicht nur so zum Spaß diese mit so viel Mühe glatt gehaltene Oberfläche zerstören würde. Schließlich handelte es sich um die süße Sarah, die Tochter eines Nachbarn, die er seit ihrer Geburt kannte.
Also hatte er es sorgfältig vermieden, auf seine Instinkte zu hören, und sie einfach weiter wie eine der jungen Ladys aus seinem hiesigen Bekanntenkreis behandelt.
Aber als er schließlich beschlossen hatte, sich eine Ehefrau zu wählen, war ihm sofort ihr Gesicht in den Sinn gekommen. Er hatte gar nicht nachdenken müssen - er hatte einfach gewusst, dass sie die Richtige war.
Dann hatte er natürlich doch nachgedacht, all die Argumente und zahlreichen Kriterien in Betracht gezogen, die ein Mann wie er bei der Wahl seiner Ehefrau berücksichtigen musste. Das Ergebnis hatte bestätigt, dass Sarah Conningham die ideale Kandidatin war.
Sie blieb etwa einen halben Meter von ihm entfernt stehen und blickte zu ihm auf. (Wenn sie dicht vor ihm stand, reichte sie ihm gerade bis zum Kinn.) Verwirrung lag wie ein Schatten über den Augen, deren Farbe an Kornblumen erinnerte.
»Charlie.« Zu seiner Überraschung klang ihre Stimme fest, wenn auch ein wenig atemlos. »Mama sagte, Sie wollten mich sprechen.«
Er spürte, wie seine Mundwinkel sich zu einem Lächeln hoben. Keine falsche Schüchternheit, keine Umschweife - und auch kein »Lord Charles«. Sie hatten nie auf diesem förmlichen Weg miteinander verkehrt, und dafür war er jetzt dankbar.
Er spürte, dass sie von einer Spannung ergriffen war, die sie flach atmen ließ, doch äußerlich wirkte sie völlig ruhig. Hochachtung erwachte in ihm. Aber war er wirklich überrascht, dass sie mehr Format besaß als die Norm?
Nein - das war einer der Gründe für seine Wahl.
Der Impuls, die Hand auszustrecken und mit den Fingerspitzen über ihr Schlüsselbein zu streichen - nur um festzustellen, wie glatt die alabasterweiße Haut war -, kam völlig unvorbereitet. Einen Moment lang spielte er mit dem Gedanken, dann verwarf er ihn. Angesichts dessen, was er zu sagen hatte und welchen
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