Sturm der Verfuehrung
zurückhalten können. Sarahs Erwähnung der Jungen hatte ihn zur Besinnung gebracht. Er mochte Kinder beinahe jeden Alters, und sie mochten ihn. Aber Kinder erkannten sofort, wenn jemand unaufrichtig war. Wenn sie sich um Sarah scharten, könnte er niemals verbergen, was er für seine Frau empfand.
Allein die Vorstellung, die Kleinen an ihren Röcken hängen zu sehen, während sie mit ihrem Madonnenlächeln auf sie hinunterblickte ...
Nein! Er durfte das Waisenhaus nie wieder mit ihr zusammen besuchen.
»Ich denke, sobald Sie beide Ihr eigenes >Kinderheim< gründen, wird ihr Interesse an dem Waisenhaus schwinden«, sagte Malcolm.
Charlie sah Sarah mit seinem Sohn - oder seiner Tochter - im Arm vor sich und spürte, wie ihm die Knie weich wurden und seine Entschlossenheit sich in Nichts auflöste. Gütiger Gott! Wie sollte er dagegen ankommen können?
Er atmete tief ein und straffte seine Schultern. Es blieben ihm mindestens neun Monate, um herauszufinden, wie er damit umzugehen hatte. Die Liebe zu seiner Frau auch unter diesen Umständen zu verbergen.
»Ich mache mich besser auf den Heimweg.« Er drehte sich um, begegnete Malcolms leicht besorgtem Blick, lächelte, kam zum Schreibtisch zurück und streckte ihm seine Hand entgegen. »Das sind nur Anfangsschwierigkeiten. Ich bin sicher, sie werden sich mit der Zeit legen.«
Seine Worte drückten wesentlich mehr Zuversicht aus, als er empfand, aber sie genügten, um Malcolm zu beruhigen. Er stand auf und ergriff Charlies Hand.
Gemeinsam gingen sie durch das Haus zum Ausgang.
Draußen auf der ersten Stufe blieb Charlie stehen und schaute zu dem Waisenhaus auf dem Felsvorsprung oberhalb des Ortes hinauf. Dann wandte er sich Malcolm zu. »Ich erwarte morgen früh einige Bankberichte aus London, Neuigkeiten über die Entwicklung im Allgemeinen. Kommen Sie doch zum Mittagessen, dann können wir sie gemeinsam durchsehen.«
Malcolm zog die Brauen hoch. »Eine der Möglichkeiten, auf dem Land auf dem Laufenden zu bleiben?«
Charlie nickte. »Was ist mit morgen?«
Malcolm zögerte, schaute Charlie mit seinen haselnussbraunen Augen an. Schließlich nickte er. »Einverstanden. Danke. Dann bis morgen.«
Charlie nickte lächelnd, ging hinunter zu Storm, band ihn los, führte den Grauen auf die Straße hinaus, schwang sich in den Sattel und ritt, zum Abschied die Hand hebend, davon.
Malcolm Sinclair schaute ihm nachdenklich hinterher und dann zum Waisenhaus hinauf. Nach einer Weile drehte er sich um, ging ins Haus und schloss die Tür.
Während sie sich am nächsten Morgen wusch und ankleidete, dachte Sarah über den Verlauf des vorangegangenen Tages nach, und ihre Verwirrung wuchs. Es war beinahe, als wäre sie mit zwei Männern verheiratet - mit dem leidenschaftlichen, liebevollen Mann, mit dem sie das Bett teilte, und mit dem kalten, abweisenden Edelmann, dem sie tagsüber im Haus begegnete.
Aber nicht einmal das beschrieb treffend, was sie empfand.
Seine Ablehnung gestern, sie zum Waisenhaus zu begleiten, sein eindeutiges Bestreben, so wenig Zeit wie möglich in ihrer Gesellschaft zu verbringen, hatten sie verletzt. Er hatte sich sogar geweigert, mit ihr zusammen zu reiten! Jeder hätte auf seinem Pferd gesessen, um Himmels willen - nicht dicht nebeneinander in einer Kutsche!
Was war nur mit ihm los?
Ihre Wut hatte hoch aufgelodert, aber sie hatte sie unterdrücken müssen, um im Waisenhaus freundlich wie immer auftreten zu können. Charlies Verhalten hätte sie vielleicht zu Unbeherrschtheit verleitet, doch sie durfte - und würde - sich nicht gestatten, andere unter ihren Gefühlen leiden zu lassen, insbesondere nicht die Kinder.
Diese erzwungene Zurückhaltung war sehr hilfreich gewesen. Als Sarah im schwindenden Tageslicht nach Hause kam, hatte sie sich wieder gut im Griff.
Nichtsdestoweniger hätte ein Fünkchen genügt, um das Feuer wieder zu entzünden, doch Charlie war zwar zurückhaltend gewesen, nicht zärtlich und liebevoll, aber auch nicht ganz so kalt und distanziert. Während der anderthalb Stunden, die sie auf ihren Vorschlag hin nicht im Salon, sondern in ihrem behaglicheren Wohnzimmer verbrachten, hatte sie immer wieder seinen Blick gespürt, doch sobald sie von ihrer Stickarbeit aufschaute, las Charlie in seinem Buch.
Was hatten diese verstohlenen Blicke zu bedeuten? Wurde sein Widerstand schwächer, schwand seine Entschlossenheit, diesen lächerlichen Zustand aufrechtzuerhalten, den er sich und ihr aufzwang?
Sich fragend, was der Tag
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