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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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starrte und seufzte.
    »Gesalzenes dunkles Bier sollte man nicht nach Dessertwein trinken«, sinnierte er laut. Im nächsten Moment drehte sich die Frau, die hinter ihm saß, um und tippte ihm auf die Schulter.
    »Habe ich richtig gehört?« Sie schien ein paar Jahre jünger zu sein als Locke und Jean und sah ganz passabel aus; grelle, scharlachrote Tätowierungen auf den Unterarmen und eine tiefe Sonnenbräune kennzeichneten sie als Hafenarbeiterin. »Sie mögen kein gesalzenes dunkles Bier? Ich will ja nicht unverschämt sein, aber ich habe meinen Becher gerade leer getrunken …«
    »Oh. Oh!« Locke wandte sich der Frau zu, lächelte und reichte ihr über die Schulter seinen Becher. »Bitte sehr, wohl bekomm’s!«
    »Mein Bier können Sie auch trinken«, fügte Jean hinzu und bot ihr seinen Becher an. »Zum Wegkippen ist es zu schade.«
    »Das finde ich auch. Vielen herzlichen Dank, die Herren.« Locke und Jean setzten ihr im Flüsterton geführtes Gespräch fort. »Eine Woche«, mutmaßte Locke. »Vielleicht zwei, und Stragos schickt uns los. Dann ist Schluss mit dieser bescheuerten Theorie, und auf dem verfluchten Ozean kriegen wir am eigenen Leib zu spüren, was es heißt, auf einem Schiff zu leben.« »Deshalb bin ich ja so froh, dass du dich entschieden hast, heute Nacht nicht allzu tief ins Glas zu gucken.«
    »So ein bisschen Selbstmitleid ist heutzutage teuer erkauft«, erwiderte Locke. »Und dabei kommen Erinnerungen an eine Zeit hoch, die ich am liebsten vergessen würde.« »Du brauchst dich nicht andauernd zu entschuldigen. Nicht bei dir selbst und ganz bestimmt nicht bei mir.«
    »Wirklich nicht?« Locke fuhr mit einem Finger an der halb leeren Flasche auf und ab. »Aber in deinem Blick lese ich etwas anderes, wenn ich mehr als ein, zwei Gläser trinke. Außerhalb eines Schwips-Vabanque-Tisches natürlich.« »Hör doch endlich auf damit …«
    »Es sollte kein Vorwurf sein«, wiegelte Locke hastig ab. »Es ist nur die Wahrheit, mehr nicht. Und ich kann dich ja verstehen. Du … was ist denn jetzt los?« Jean hatte den Kopf gehoben, als hinter Locke ein lautes Keuchen erklang. Die Hafenarbeiterin war halb von ihrem Stuhl aufgestanden, umklammerte ihren Hals und rang nach Luft. Sofort sprang Jean hoch, trat um Locke herum und packte die Frau bei den Schultern.
    »Ruhig bleiben, Madam, nur keine Panik. War wohl ein bisschen zu viel Salz im Bier, wie?« Er drehte die Frau herum und schlug ihr mit dem rechten Handballen ein paarmal kräftig auf den Rücken. Zu seinem Entsetzen schnappte sie weiter nach Luft -sie war offensichtlich am Ersticken, denn trotz aller Anstrengung konnte sie nicht mehr einatmen. Sie schwenkte herum und klammerte sich mit der Kraft der Verzweiflung an Jean; die Augen quollen ihr aus dem Kopf, und unter der Sonnenbräune war das Gesicht hochrot angelaufen.
    Jeans Blick fiel auf die drei leeren Bierbecher, die vor ihr auf dem Tisch standen, und als ihm dann blitzartig die Erkenntnis kam, schien ihm das Blut in den Adern zu gefrieren. Mit der linken Hand packte er Locke und riss ihn buchstäblich von seinem Stuhl.
    »An die Wand«, zischte er. »Geh in Deckung!« Dann brüllte er in den Raum hinein:
    »Hilfe! Diese Frau hier braucht Hilfe!«
    Ein allgemeines Getümmel brach aus; Offiziere und Matrosen schnellten von ihren Plätzen hoch und kämpften darum, einen Blick auf das Geschehen zu erhaschen.
    Durch die Menge der aufgeregten Gäste und plötzlich leeren Stühle boxte sich eine ältere Frau in einem schwarzen Rock; das sturmwolkenfarbene Haar war mit silbernen Ringen zu einem langen, straffen Zopf gebändigt. »Platz da. Ich bin Schiffsärztin!«
    Sie nahm Jean die Hafenarbeiterin aus den Armen und gab ihr drei kräftige Schläge mit der geballten Faust auf den Rücken.
    »Hab ich schon versucht!«, schrie Jean. Die erstickende Frau drosch wahllos auf ihn und die Ärztin ein, als seien sie der Grund für ihr Problem. Ein bläuliches Rot überzog die Wangen. Der Ärztin gelang es, eine Hand um den Hals der Frau zu legen und die Luftröhre abzutasten.
    »Grundgütige Götter!« rief sie. »Der Hals ist angeschwollen und steinhart. Legen Sie sie auf den Tisch. Und dann halten Sie sie mit aller Kraft fest!«
    Jean stieß die Hafenarbeiterin auf die Platte ihres Tisches, sodass die leeren Bierbecher umkippten. Rings um sie her bildete sich eine Menschentraube; Locke beobachtete unbehaglich das Treiben, mit dem Rücken zur Wand, wie Jean ihm befohlen hatte.
    Gehetzt um sich

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