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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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mir sprach die Unwissenheit. Ich bitte um Entschuldigung.«
    »Entschuldigung akzeptiert«, erwiderte die Ärztin und entledigte sich ihres Rocks; vermutlich hatte sie gemerkt, dass er mit Blut besudelt war. »Was zur Hölle hat diese Frau getrunken?«
    »Nur das dunkle Bier«, mischte sich Jean ein. »Das gesalzene dunkle Verrari-Bier.« Und es war für uns bestimmt, fügte er in Gedanken hinzu. Ihm drehte sich der Magen um.
    Seine Worte bewirkten einen neuen Ausbruch von Unmut bei den Gästen, von denen die meisten ebenfalls das Bier getrunken hatten. Jevaun hob die Arme und fuchtelte mit ihnen herum, bis wieder Ruhe eintrat.
    »Es war gutes, sauberes Bier vom Fass! Ich habe selbst davon gekostet, ehe ich es zapfen und servieren ließ! Ich hätte es meinen Enkelkindern zum Trinken gegeben!« Er griff nach einem leeren Holzbecher, zeigte ihn der Menge und füllte ihn bis zum Rand mit Bier aus dem besagten Fass. »Das hier erkläre ich vor Zeugen! Dieses Haus bürgt für höchste Qualität! Wenn unsaubere Machenschaften im Spiel sind, habe ich nichts damit zu tun!« Mit mehreren tiefen Zügen leerte er den Becher und hielt ihn dann den Gästen hin. Das Gemurmel hielt an, doch die bedrohliche Bewegung der Menge in Richtung Tresen kam erst einmal zum Stehen.
    »Es ist möglich, dass die Frau überempfindlich auf das Bier reagiert hat«, meinte Almaldi. »Dass eine allergische Reaktion ausgelöst wurde. Doch wenn dem so war, dann ist das der erste allergische Schock dieser Art, den ich in meinem Leben gesehen habe.« Sie hob die Stimme. »Fühlt sich sonst noch jemand krank? Hat jemand Halsschmerzen? Atemnot?«
    Matrosen und Offiziere blickten einander an und schüttelten die Köpfe. Jean sprach ein stummes Dankgebet, weil anscheinend niemand gesehen hatte, wie die Hafenarbeiterin die Becher mit dem tödlichen Bier von ihm und Locke entgegengenommen hatte.
    »Wo zur Hölle ist dein anderer Gehilfe?«, brüllte Jean zu Jevaun hinüber. »Bevor das Bier ausgeteilt wurde, habe ich außer dir zwei Bedienungen gesehen. Jetzt ist es nur einer.«
    Der älteste Kellner drehte den Kopf von rechts nach links und spähte suchend in die Menge. Mit einem erschrockenen Gesichtsausdruck wandte er sich an seinen verbliebenen Helfer. »Wahrscheinlich hat Freyald bloß die Hosen voll und versteckt sich irgendwo. Geh ihn suchen. Beeilung!«
    Jeans Worte zeigten genau die beabsichtigte Wirkung; Matrosen sowie Offiziere verteilten sich im Raum und versuchten, den vermissten Kellner aufzustöbern. Irgendwo draußen erklang das gedämpfte Trillern der Pfeifen, mit denen sich die Stadtwachen untereinander verständigten. Bald würden die Konstabler in Scharen die Taverne stürmen, ob sie nun den Seeleuten gehörte oder nicht. Unauffällig stieß er Locke an und deutete auf die Hintertür der Kneipe, durch die sich bereits ein paar andere Leute, die wohl ebenfalls Ärger befürchteten, klammheimlich verdrückt hatten.
    »Warten Sie«, sagte Magister Almaldi, als Locke und Jean an ihr vorbeigingen. Sie wischte Lockes Stilett am Ärmel ihres ohnehin ruinierten Rocks sauber und gab es ihm zurück. Er nickte, als er es ihr abnahm.
    »Magister«, meinte er, »Sie waren großartig.«
    »Und trotzdem habe ich nichts bewirkt«, erwiderte sie, sich mit den blutbefleckten Fingern achtlos durch die Haare kämmend. »Das lasse ich jemanden mit dem Tod bezahlen.«
    Uns, wenn wir uns hier noch ein Weilchen länger aufhalten, dachte Jean. Er hegte den bösen Verdacht, dass die Stadtwachen ihm und Locke keinen Schutz bieten würden, sollten die misstrauisch gewordenen Offiziere sie den offiziellen Hütern des Gesetzes überantworten.
    Überall im Raum wurde hitzig diskutiert, während Jean mithilfe seiner Körperfülle für sich und Locke einen Weg zum Hinterausgang der Taverne bahnte. Die Tür führte auf eine unbeleuchtete Gasse. Am schwarzen Himmel hatten sich Wolken zusammengeballt und verdeckten die Monde; reflexhaft ließ Jean eine Axt in seine rechte Hand gleiten, ehe er drei Schritt durch die Nacht gegangen war. Sein geschultes Ohr verriet ihm, dass die Konstabler mit ihren Trillerpfeifen ungefähr einen Block weiter westlich unterwegs waren und rasch näher kamen.
    »Freyald«, murmelte Locke, als sie Schulter an Schulter durch die Finsternis marschierten. »Diese verfluchte Ratte. Das Bier war für uns gedacht, mal was anderes als ein Armbrustbolzen.«
    »Darauf bin ich auch schon gekommen«, pflichtete Jean ihm bei. Er führte Locke eine schmale

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