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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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kleine Geschichte erzählen. In meinen Diensten steht ein sehr unzuverlässiger Kapitän, der sich bis jetzt wunderbar darauf verstanden hat, seine Pflichtversäumnisse zu vertuschen.«
    »Mir fehlen die Worte, um auszudrücken, wie sehr mich das betrübt«, kommentierte Locke.
    »Dieser Kapitän wird mich verraten«, fuhr Stragos fort. »Seit Monaten heckt er Pläne aus, die alle darauf abzielen, mich ein für alle Mal zu ruinieren. Er will mir etwas sehr Wertvolles stehlen und es dann in aller Öffentlichkeit gegen mich verwenden.«
    »Sie hätten ihn besser beaufsichtigen sollen«, murmelte Locke.
    »Oh, ich behielt ihn gut im Auge«, erwiderte Stragos. »Und ich passe immer noch auf ihn auf. Der Kapitän, von dem ich spreche, sind Sie!«

3
     
     
    Der Amwind-Felsen hatte lediglich eine einzige Tür, eisenbeschlagen, elf Fuß hoch, verriegelt und von innen bewacht. Als Locke und Jean sich näherten, wurde eine kleine Tafel in der Mauer aufgeschoben, und in dem Fenster erschien, das Lampenlicht in dem Raum dahinter aussperrend, die Silhouette eines Kopfes. Mit barscher Stimme fragte die Aufseherin: »Wer ist da?«
    »Ein Offizier des Archonten und des Rates«, antwortete Locke, wie es das förmliche Ritual erforderte. »Mein Begleiter dient unter mir als Bootsmann. Das sind meine Order und meine Papiere.«
    Er reichte der Frau hinter der Tür einen Satz fest zusammengerollter Dokumente. Sie schob die Tafel wieder vor das Guckloch, und Locke und Jean warteten schweigend mehrere Minuten lang und lauschten dem Donnern der Brandung, die sich an den nahe gelegenen Riffen brach. Gerade gingen die Monde auf und überzogen den südlichen Horizont mit einem silbernen Glanz, während die Sterne den wolkenlosen Himmel sprenkelten wie Zuckerkristalle, die man auf ein Stück schwarze Leinwand wirft.
    Endlich hörte man ein metallisches Scheppern, und die wuchtigen Türflügel schwenkten an kreischenden Angeln nach außen. Die Aufseherin kam zu ihnen hinaus; sie salutierte, gab Locke die Dokumente jedoch nicht zurück. »Entschuldigen Sie die Verzögerung, Kapitän Ravalle. Willkommen auf dem Amwind-Felsen.«
    Locke und Jean folgten ihr in den Eingangsbereich des Turms, der durch eine Wand aus schwarzen, vom Boden bis zur Decke reichenden Eisenstangen, die über die gesamte Breite verliefen, in zwei Hälften geteilt wurde. Hinter diesen Gitterstäben bediente ein Mann von einem hölzernen Pult aus den wie auch immer gearteten Mechanismus, der die Türflügel schloss – bereits nach wenigen Sekunden fielen sie hinter Locke und Jean wieder zu.
    Der Mann sowie die Frau trugen die blaue Uniform des Archonten und darüber eine Panzerung aus geripptem schwarzem Leder: Armschützer, Weste und Halsschutz. Der Wächter hatte ein auffallend hübsches, glatt rasiertes Gesicht; er blieb auf seinem Platz hinter dem Gitter, als die Aufseherin sich ihm näherte, um ihm Lockes Papiere zu geben.
    »Kapitän Orrin Ravelle«, sagte sie. »Und sein Bootsmann. Sie kommen mit Befehlen des Archonten.«
    Der Mann prüfte eingehend Lockes Papiere, ehe er nickte und sie durch die Stäbe zurückreichte. »Natürlich. Guten Abend, Kapitän Ravelle. Dieser Mann ist Ihr Bootsmann, Jerome Valora?« »Ja, Leutnant.«
    »Sie sind hier, um sich die Gefangenen im zweiten Kellerverlies anzusehen? Jemand Bestimmten?«

4
     
     
    »Ich will nur ganz allgemein einen Blick auf sie werfen, Leutnant.«
    »Wie Sie wünschen.« Der Mann nahm einen Schlüssel, den er um den Hals trug, öffnete die einzige Pforte in der Wand aus Eisenstäben und trat lächelnd zu ihnen hinaus. »Wir gewähren dem Protektor gern jede Hilfe, Käpt’n.«
    »Das wage ich zu bezweifeln«, entgegnete Locke und ließ ein Stilett in seine linke Hand gleiten. Sein Arm schnellte vor, und er verpasste der Aufseherin einen Schnitt hinter dem rechte Ohr, quer über die ungeschützte Haut zwischen dem ledernen Halsschutz und ihren zu einer straffen Frisur gezwirbelten Haaren. Die Frau stieß einen Schrei aus, schwenkte herum und riss blitzschnell ihren Säbel aus schwarzem Stahl aus der Scheide.
    Doch noch bevor sie blankziehen konnte, stürzte sich Jean auf den männlichen Wachposten; der gab ein verwundert klingendes, ersticktes Geräusch von sich, als Jean ihn gegen das Gitter stieß und ihm mit der rechten Handkante einen scharfen Schlag gegen den Hals versetzte. Der Lederschutz sorgte dafür, dass der Hieb nicht tödlich war, jedoch ohne die Wucht des Aufpralls wesentlich zu mildern. Jean war

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