Sturm ueber roten Wassern
es ein Leichtes, den nach Luft schnappenden Mann von hinten bei den Armen zu packen und ihn mit eisernem Griff festzuhalten.
Locke tänzelte flink nach hinten, als die Frau ihn mit dem Säbel attackierte. Der erste Angriff war schnell und beinahe präzise. Der zweite fiel bereits ein bisschen langsamer aus, und Locke hatte keine Mühe, der Klinge auszuweichen. Sie rüstete sich für einen dritten Hieb, tat einen falschen Schritt und stolperte über ihre eigenen Füße. Vor lauter Verwirrung klappte sie den Mund auf.
»Du … Wichser …«, lallte sie. »Du hast mich … ver … vergiftet.«
Locke zuckte zusammen, als sie mit dem Gesicht voran auf den Steinboden knallte; er hatte sie auffangen wollen, doch das Zeug an seinem Stilett hatte schneller gewirkt als erwartet.
»Dreckskerl!«, würgte der Leutnant hervor, der sich vergeblich in Jeans Klammergriff wand. »Du hast sie getötet!«
»Sie ist keineswegs tot, du Blödmann! Also wirklich, ihr seid schon komische Käuze … kaum zieht man hier eine Klinge, da nimmt schon jeder an, dass man jemanden umgebracht hat.« Locke trat vor den Wachposten und zeigte ihm das Stilett. »Das Zeug an der Klinge nennt man ›Weißer Traum‹. Du schläfst die ganze Nacht durch und wachst gegen Mittag auf. Dann wirst du dich allerdings beschissen fühlen. Tut mir wirklich leid. Soll ich es dir in den Hals oder die Handfläche ritzen?«
»Du … bei allen Göttern verfluchter Verräter!«
»Also in den Hals.« Locke verpasste dem Mann einen oberflächlichen Schnitt direkt hinter dem linken Ohr, und kaum hatte er bis acht gezählt, da hing der Kerl auch schon in Jeans Armen, schlaffer als nasse Seide. Jean legte den Leutnant vorsichtig auf dem Boden ab und pflückte einen kleinen Ring mit Eisenschlüsseln von seinem Gürtel.
»Dann mal los«, sagte Locke. »Hinunter ins zweite Kellerverlies.«
»Bis vor einem Monat hat Ravelle noch gar nicht existiert«, erläuterte Stragos. »Ich erfand ihn erst, nachdem ich Sie in der Hand hatte. Ein Dutzend meiner vertrauenswürdigsten Männer und Frauen werden jeden Eid darauf schwören, dass Ravelle eine reale Person war, dass sie ihn persönlich kannten, mit ihm Mahlzeiten teilten und sich mit ihm über Pflichten und Belanglosigkeiten unterhielten. Es gibt schriftliche Befehle, Dienstpläne, Rechnungsbelege und andere Dokumente, die Ihren Namen enthalten und überall in meinen Archiven verteilt sind. Männer haben unter dem Namen Ravelle Zimmer gemietet, Waren gekauft, sich Uniformen schneidern und in die Schwert-Marina liefern lassen. Wenn der Zeitpunkt gekommen ist, an dem ich mich mit den Konsequenzen Ihres Verrats befasse, wird er als eine echte Person aus Fleisch und Blut erscheinen, belegt durch Fakten und Aussagen von Leuten, die sich an ihn erinnern.«
»Konsequenzen?«, hakte Locke nach.
»Ravelle wird mich verraten, so wie Kapitän Bonaire mich hintergangen hat, als sie vor sieben Jahren mein Schiff, die Leguan, aus dem Hafen stahl und die rote Flagge hisste.
Und das wird wieder passieren … zweimal demselben Archonten. In gewissen Kreisen wird man sich eine Weile über mich lustig machen. Aber wer zuletzt lacht, lacht am besten.« Er schien sich innerlich zu krümmen. »Haben Sie sich noch keine Gedanken darüber gemacht, wie die Öffentlichkeit auf das reagieren wird, was ich ins Rollen bringe, Meister Kosta? Ich schon.«
»Bei den Göttern, Maxilan«, sagte Locke und spielte zerstreut mit einem Knoten in einem der Taue, mit denen das relativ kleine Hauptsegel des Bootes gebrasst wurde.
»Ich werde ein Gefangener auf See sein, Kompetenz in einem Beruf heucheln, von dem ich so gut wie nichts verstehe, und mit Ihrem beschissenen Gift in meinen Adern um mein Leben kämpfen -dennoch schließe ich Sie in meine Gebete ein, weil Sie so viel Schweres durchleiden müssen.«
»Ravelle ist genauso ein Schuft wie Sie«, fuhr der Archont fort. »In diese Richtung habe ich seinen Charakter und seine Biografie gestaltet. Da wäre noch etwas, das Sie über Tal Verrar wissen sollten – die Konstabler der Priori bewachen die ›Hohe Warte‹, das ist das Gefängnis in der Castellana. Die meisten Gefangenen aus Tal Verrar werden dorthin gebracht.
Der Amwind-Felsen mag im Vergleich dazu winzig sein, doch er untersteht mir.
Ausschließlich meine eigenen Leute dienen dort als Aufseher oder Wachposten, und kein Fremder erhält dort Zutritt.«
Der Archont schmunzelte. »An diesem Ort wird Ravelle seinen Verrat bis zum Äußersten
Weitere Kostenlose Bücher