Sturm ueber roten Wassern
konnte in der Gewissheit arbeiten und schlafen, dass die Leute, die dieses Schiff kommandierten, ihr Handwerk verstanden; er und Locke mussten nicht länger durch Improvisieren und Gebete die Dinge am Laufen halten.
Wenn dieses verfluchte Logbuch nicht gewesen wäre, in dem gnadenlos jeder Tag, der verstrich, festgehalten wurde, und sich nicht mit jedem dieser Tage, die vergingen, die Wirkung ihres Gegengifts abgeschwächt hätte, hätte er beinahe so etwas wie Glück empfunden. Es wäre wie ein friedlicher Urlaub gewesen, in dem er einen guten Teil seiner Zeit damit verbrachte, sich über Leutnant Delmastro Gedanken zu machen.
Doch weder er noch Locke konnten aufhören, die Tage zu zählen.
2
Am achtzehnten Tag des Monats Festal drehte der Kahle Mazucca durch.
Es kam ohne Vorwarnung; obwohl er während der Nächte in der Back schlechte Stimmung verbreitete, war er doch nur einer von vielen übermüdeten und reizbaren Männern, und in der Zwischenzeit hatte er niemanden mehr bedroht, nicht die Schrubberwache, geschweige einen von der Mannschaft.
Der Abend dämmerte, die Blaue Wache schob seit zwei, drei Stunden Dienst, und überall am Schiff wurden Laternen angezündet. Jean saß neben Locke in der Nähe des Hühnerstalls und entwirrte altes Tauwerk in seine Einzelfäden. Locke rupfte diese dann zu einem Haufen brauner grober Fasern auseinander. Mit Teer vermischt, verwandelten sie sich zu Werg und konnten für alles Mögliche benutzt werden, angefangen vom Kalfatern der Nähte in den Gängen des Schiffsrumpfs bis hin zu Kissenfüllungen. Es war eine unangenehme, ermüdende Arbeit, doch die Sonne würde gleich hinter der Kimm versinken, und damit endeten ihre Pflichten für diesen Tag.
Aus Richtung der Back hörten sie ein Klappern, danach Flüche und Gelächter. Der Kahle Mazucca kam in ihr Gesichtsfeld gestapft, bewaffnet mit einem Wischmopp und einem Eimer; ihm auf den Fersen folgte ein Matrose, den Jean nicht kannte. Der Mann machte irgendeine Bemerkung, die Jean jedoch nicht verstand, und dann passierte es - Mazucca wirbelte herum, schlug mit dem schweren Eimer nach ihm und traf ihn direkt ins Gesicht. Halb betäubt fiel der Matrose auf den Rücken.
»Mögen die Götter dich verdammen!«, schrie Mazucca. »Glaubst du, ich bin ein kleines Kind?«
Die Hand des Matrosen tastete nach seinem Gürtel, auf der Suche nach einer Waffe - Jean sah, dass dort ein kurzer Knüppel hing. Aber Mazucca raste vor Wut, und der Mann hatte sich noch nicht ganz von dem Schlag erholt. Im nächsten Moment trat Mazucca ihm gegen die Brust und riss den Knüppel an sich. Er hob ihn hoch über den Kopf, doch weiter kam er nicht. Drei oder vier Männer stürzten sich auf ihn, warfen ihn auf die Planken und zerrten ihm den Knüppel aus der Faust.
Schwere Schritte polterten vom Achterdeck zur Kühl. Kapitän Drakasha eilte herbei, ohne dass man sie gerufen hätte.
Als sie an Jean vorbeirannte – der seine Arbeit völlig vergessen hatte –, merkte er, wie sich sein Magen verkrampfte. Sie hatte es. Sie trug es wie einen Umhang. Die gleiche Aura, die er früher bei Capa Barsavi bemerkt hatte, etwas, das in manchen Menschen schlummerte, bis es durch Wut oder unter Zwang hervorgezogen wurde, urplötzlich und fürchterlich in seiner Wirkung. Der Tod selbst stürmte über das Deck dieses Schiffs.
Drakashas Leute hatten Mazucca auf die Füße gestellt und hielten ihn an den Armen fest. Der Matrose, der den Schlag mit dem Eimer abbekommen hatte, hielt seinen Stock wieder in der Hand und massierte sich den Kopf. Zamira blieb stehen und zeigte mit dem Finger auf ihn.
»Erklärung, Tomas.«
»Ich habe … ich habe … Tut mir leid, Käpt’n. Ich wollte mich nur ein bisschen amüsieren.«
»Den ganzen verfluchten Nachmittag lang hat er mich schikaniert«, ereiferte sich Mazucca, der gefügig wirkte, sich aber keineswegs beruhigt hatte. »Hat nicht einen Handschlag gearbeitet. Ist nur hinter mir hergelaufen, hat meinen Eimer umgekippt, mir das Werkzeug weggenommen, alles, was ich machte, wieder durcheinandergebracht und mir dann befohlen, es neu zu richten.«
»Ist das wahr, Tomas?«
»Ich wollte doch nur … es war ein Jux, Käpt’n. Ich hab doch nur die Schrubberwache geneckt. War nicht bös gemeint. Soll auch nicht wieder vorkommen.«
Drakasha bewegte sich so schnell, dass Tomas nicht einmal die Zeit fand, zurückzuzucken; auf einmal lag er mit gebrochener Nase auf dem Deck. Jean hatte den eleganten Aufwärtsschwung ihres
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