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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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bekommt. Spricht kaum noch ein anständiges Therin. Lebt in der Gosse und verflucht ihre früheren Verleger.« »Das sind die Bücher, an die ich mich erinnern kann«, erklärte Jean. »Historische Werke sind leider nicht unbedingt mein Fall. Wie schaffen Sie es, so viel zu lesen?«
    »Ahhh«, rief sie und schüttelte sich schwungvoll die Haare aus dem Gesicht. Ezri war schlank, aber nicht mager, dachte Jean – sie hatte nichts Kantiges an sich, sondern bestand nur aus gesunden Kurven und kräftigen Muskeln. Robust musste sie schon sein, wenn sie ihn derart umgehauen hatte, selbst wenn das Überraschungsmoment auf ihrer Seite gewesen war. »Hier draußen ist die Historie eine Währung, Jerome.
    Manchmal das einzige Zahlungsmittel, das wir haben.«
    »Klingt geheimnisvoll.«
    »Ist aber nur vernünftig.«
    »Sie wissen ein bisschen über mich Bescheid.«
    »Wundert dich das? Es dient nur dem Schutz des ganzen Schiffs, wenn ich herumschnüffle. Eines darfst du nicht vergessen, ich bin ein Offizier, und du bist ein gefährlicher Fremder.«
    »Ich fühle mich geschmeichelt.«
    »Das dachte ich mir.« Sie lächelte. »Lass mich noch genauer werden – ich bin Offizier eines Schiffs, auf dem du für die Schrubberwache eingeteilt bist. Im Grunde gibt es dich noch gar nicht.« Sie formte mit den Händen einen Rahmen und blinzelte ihn dadurch an. »Du bist ein verschwommenes Etwas, das gerade mal über der Kimm aufgetaucht ist.«
    »Von mir aus.« Er zuckte mit den Schultern und kam sich vor wie ein Idiot, als er sich wiederholte: »Von mir aus.«
    »Aber du warst neugierig.«
    »Wirklich?«
    »Ja, was das Schiff betrifft.«
    »Oh. Doch, ja, das stimmt. Ich fragte mich nur … jetzt, da ich ein bisschen vom Bordalltag mitgekriegt habe …«
    »Du hast dich sicher gewundert, wieso hier nicht gesungen und auf den Rahen getanzt wird, warum vorne und achtern keine offenen Bierfässer stehen, und wie es kommt, dass nicht von morgens bis abends gesoffen und gekotzt wird …« »So ungefähr. Schließlich ist das kein Schiff der Kriegsmarine …«
    »Drakasha gehörte früher der Kriegsmarine an. In Syrune. Sie spricht nur selten darüber, aber sie gibt sich auch keine Mühe mehr, ihren Akzent zu verheimlichen. Es gab nämlich mal eine Zeit, da hat sie sehr auf ihre Aussprache geachtet.« Syrune, sinnierte Jean, ein Insel-Imperium, noch weiter im Osten gelegen als Jerem und Jeresh; die Insulaner waren ein stolzes, dunkelhäutiges Volk, das die Seefahrt mit großer Ernsthaftigkeit betrieb. Wenn Syrune Drakashas Heimat war, dann war sie mit einer Tradition groß geworden, die viele Marineoffiziere hervorbrachte und die angeblich so alt war wie der Theriner Thron.
    »Syrune«, wiederholte er. »Das erklärt so manches. Zum Beispiel die Einstellung, dass die Historie eine Währung ist.«
    »Ein bisschen Historie gibt sie dir umsonst«, entgegnete Ezri. »Glaub mir, wenn die Historie eine Münze wäre, säße sie auf einem riesigen Vermögen.« »Und deshalb führt sie ihr Schiff nach alter Sitte?«
    »Ja, aber es passt uns.« Ezri gab ihm einen Wink, er solle mit seiner Arbeit weitermachen, und er fing wieder an, den Kiel mit Farbe zu bepinseln. »Die Schiffsführer vom Messing-Meer sind etwas ganz Besonderes. Sie genießen ein hohes Ansehen, auf dem Meer sowie an Land. In Prodigal haben sie sich zu einem Rat zusammengeschlossen. Aber jedes Schiff, das unter der roten Flagge fährt, ist unabhängig. Manche Kapitäne werden gewählt. Manche übernehmen nur das Kommando, wenn der Zeitpunkt gekommen ist, zu den Waffen zu greifen. Mit Drakasha hat es folgende Bewandtnis … sie kommandiert dieses Schiff, weil wir wissen, dass sie unsere beste Chance ist. In jeder Hinsicht. In Syrune versteht man in bestimmten Dingen keinen Spaß, da wird nicht lange gefackelt.«
    »Also lasst ihr euch hübsch brav in Wachen einteilen, trinkt wie ängstliche Ehemänner und achtet auf gute Manieren?« »Gefällt dir das nicht?«
    »Beim Blut der Götter, und wie mir das gefällt. Es geht hier nur gesitteter zu, als ich es mir vorgestellt hatte, das ist alles.«
    »Du würdest nichts, was hier an Bord geschieht, mit den Vorgängen auf einem Marineschiff vergleichen, hättest du je auf einem gedient. Die meisten unserer Besatzungsmitglieder kommen jedoch aus der Kriegsmarine, und verglichen mit der Disziplin, die dort herrscht, ist die Giftorchidee ein Paradies für Müßiggänger. Wir behalten unsere strengen Gepflogenheiten bei, weil so viele von uns auch

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