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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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vier -es wurden immer mehr. Ihr ging bereits die Luft aus. Ich bin nicht mehr die ausdauernde Kämpferin, die ich einmal war, schoss es ihr vage durch den Kopf. Rings um sie her zerschnitten Pfeile die Luft, Rodanovs Leute fuhren fort, über die Lücke zwischen den Schiffen zu springen, und es hatte den Anschein, als befände sich jeder verdammte Pirat des Messing-Meers auf dem Deck der Tyrann und wartete nur darauf, ihr Schiff zu stürmen.

10
     
     
    Lockes »Fliegende Eingreiftruppe« war nun an der Steuerbordreling des Achterdecks beschäftigt; während Mumchance und einer seiner Maaten Speere schwangen, um Schwimmer aus einer anderen Ecke abzuwehren, versuchten Locke, Jean, Jabril und Gwillem, die Mannschaft des zweiten Bootes am Entern zu hindern. Dieses Boot war wesentlich robuster gebaut als das erste; die zwei von Jean geworfenen Steine hatten mindestens fünf Leute getötet oder verletzt, aber die Planken nicht durchschlagen. Rodanovs Matrosen stachen mit Bootshaken auf sie ein; zwischen den langen Hakenstangen und den Speeren der Verteidiger entspann sich ein unbeholfenes Duell. Jabril schrie auf, als ein Haken eines seiner Beine aufriss, und er revanchierte sich, indem er einem Besatzungsmitglied der Tyrann seinen Speer in den Hals rammte.
    Gwillem richtete sich auf und schleuderte eine Steinkugel ins Boot; für seine Mühe wurde er mit einem lauten Gebrüll belohnt. Als er das nächste Geschoss aus seinem Beutel holen wollte, erschien wie durch Zauberei ein Pfeil in seinem Rücken. Er sackte nach vorn gegen die Steuerbordreling, und die Kugeln rollten klappernd über das Deck.
    »Scheiße!«, schrie Locke. »Haben wir keine großen Steine mehr?« »Sind alle aufgebraucht!«, brüllte Jean zurück.
    Eine Frau mit einem Dolch zwischen den Zähnen sprang mit akrobatischer Geschicklichkeit auf die Reling und wäre an Bord gelandet, hätte Jean ihr nicht einen Schild ins Gesicht geschlagen. Sie kippte ins Wasser zurück. »Verflucht noch mal, ich vermisse meine Bösen Schwestern!«, schrie Jean. Jabril setzte verzweifelt seinen Speer ein, als vier oder fünf Tyranns gleichzeitig die Hände auf die Reling legten; zwei ließen los, doch gleich darauf wälzten sich zwei weitere auf das Deck, die Säbel in der Hand. Jabril ließ sich auf den Rücken fallen und stieß einem Enterer den Speer in den Bauch; Jean schnappte sich Gwillems Schleuder, legte sie dem anderen Mann blitzschnell um den Hals und erdrosselte ihn damit wie seinerzeit so manchen Gegner in Camorr. Der nächste Enterer spähte über die Seite und schob eine Armbrust durch die Reling, um auf Jean zu zielen. Locke fühlte sich ganz wie der legendäre Held, der ein Bierfass als Waffe einsetzte, als er dem Mann mit voller Wucht ins Gesicht trat.
    Gellende Schreie vom Wasser her deuteten an, dass sich eine neue Entwicklung anbahnte; argwöhnisch sah Locke über die Reling. Neben dem Boot trieb eine wirbelnde, gallertartige Masse wie eine durchsichtige Decke; sie pulsierte in einem schwachen Licht, das selbst bei Tag zu sehen war. Locke sah, wie ein schreiender Schwimmer in den Schleim hineingesogen wurde. Binnen weniger Sekunden trübte sich die glitschige Substanz um seine Beine herum rot ein, und er begann zu zucken. Das Ding saugte dem Unglücklichen das Blut aus den Poren, wie jemand eine saftige Frucht auslutscht.
    Eine Todeslaterne, angelockt vom Geruch des Blutes im Wasser. Eine entsetzliche Art zu sterben, selbst für Leute, die Locke eifrig zu töten versuchte – doch diese Kreatur und die anderen, die mit Sicherheit folgten, würden sich um die Schwimmer kümmern. Niemand kletterte mehr über die Seiten; die wenigen, die noch unten im Boot saßen, bemühten sich nach Kräften, dem Ding neben ihnen zu entkommen. Locke ließ seinen Speer fallen und kam endlich dazu, tief Luft zu holen. Eine Sekunde später bohrte sich zwei Fuß über seinem Kopf ein Pfeil in die Reling; der nächste zischte ins Leere, der dritte traf das Steuerrad.
    »In Deckung!«, brüllte er, hektisch nach einem Schild suchend. Einen Moment später packte Jean ihn und zerrte ihn nach rechts, wo er Gwillems Leiche als Schutzwall vor sie hielt. Jabril verkroch sich hinter das Kompasshaus, während Mumchance und sein Maat sich ein Beispiel an Jean nahmen und Strevas Leichnam als Schild benutzten.
    Locke spürte den Aufprall, als sich mindestens ein Pfeil in den toten Quartiermeister bohrte.
    »Später fühle ich mich vielleicht schlecht, weil ich mich der Toten bedient habe«,

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