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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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Locke und Jean kauerten auf der Achterdecktreppe an Backbord und klammerten sich an die innere Reling. Aus dem Augenwinkel schielte Locke zu Drakasha hinüber und sah, dass sie mit höchster Konzentration irgendetwas zählte, wobei sie die einzelnen Zahlen vor sich hin murmelte. Aus lauter Neugier versuchte er zu verstehen, was sie sagte, doch dann merkte er, dass sie nicht in Therin sprach.
    »Käpt’n«, sagte Mumchance so ruhig wie jemand, der sich einen Kaffee bestellt, »das andere Schiff …«
    »Ruder hart nach backbord!«, schrie Drakasha. Mumchance und sein Gehilfe rissen das Steuerrad herum. Plötzlich ertönte vom Bug ein lautes Krachen; das ganze Schiff bebte und krängte heftig nach steuerbord, als würde es von einer Sturmbö getroffen. Locke spürte, wie sich ihm der Magen umdrehte, und krallte sich mit aller Kraft an die Reling. »Ankergasten!«, brüllte Drakasha. »Kappt das Tau!«
    Locke hatte einen ausgezeichneten Blick auf die Tyrann, die kaum noch hundert Yards entfernt war. Er schnappte nach Luft, als er sich vorstellte, dass der Bugsprit dieses großen Schiffs sich wie ein Speer in die Orchidee und ihre dicht zusammengedrängte Mannschaft bohren könnte; doch dann legte sich der Dreimaster nach backbord über und schwenkte gleichfalls herum.
    Rodanov vermied einen frontalen Zusammenstoß, und Locke hielt es nicht für ausgeschlossen, dass dieser alte Fuchs Drakashas Absicht durchschaute. Zwar wäre die Orchidee durch einen Aufprall schwer beschädigt worden, doch gleichzeitig hätte das die Tyrann in exakt die Position gebracht, in der Zamira sie haben wollte; an diesem Punkt hätten sie die Enterer am besten abwehren können, und vermutlich wären beide Schiffe nach einer gewissen Zeit gesunken.
    Die Szenen, die sich dann abspielten, hätten spektakulärer nicht sein können; zwischen den beiden Schiffen schäumte die See zu weißen Gischtwolken auf, und Locke hörte das wütende Zischen der Wellen, das klang, als verdampfe Wasser auf glühenden Kohlen. Die Tyrann und die Orchidee konnten nicht ihren gesamten Schwung abbremsen, und die Bordwände schrammten aneinander, mit einem wogenden Kissen aus Wasser dazwischen. Die ganze Welt schien zu erbeben, als die beiden Schiffe zusammenprallten; Planken kreischten, die Masten zitterten, und hoch oben in den Toppen verlor eine Matrosin der Orchidee den Halt. Sie stürzte auf das Deck der Tyrann und war damit das erste Opfer dieser Schlacht. »Briggsegel! Briggsegel!«, schrie Zamira, und jeder auf dem Achterdeck blickte gespannt nach oben, als das Briggsegel von der kleinen Crew, die dafür abgestellt worden war, in absolut unfachmännischer Art und Weise ausgerollt wurde. Als es nach unten flatterte und sich zu seiner vollen Größe ausbreitete, wurde es in aller Eile gebrasst. Normalerweise hätte man bei diesen Windverhältnissen niemals das Schratsegel gesetzt, aber in diesem Fall verhinderte die steife Brise aus Osten, dass das Heck der Orchidee mit der Tyrann kollidierte. Mumchance schwenkte das Ruder nach steuerbord, um die Schiffsbewegung zu unterstützen. Vom Vordeck hörte man Schreie und knallende Geräusche; der Bugsprit der Tyrann zerstörte einen großen Teil des vorderen Riggs, aber Drakashas Plan schien aufzugehen. Der Bugsprit hatte kein Loch in den Rumpf gebohrt, und nun war Rodanovs Steuerbordbug der einzige Abschnitt seines Schiffs, der Drakashas Backbordseite berührte. Den von oben zuschauenden Göttern, dachte Locke, mussten die beiden Schiffe vorgekommen sein wie zwei betrunkene Fechter; die Bugsprite hatten sich gekreuzt, ohne einander größeren Schaden zuzufügen.
    Plötzlich ertönte in der Luft ein schlangengleiches Zischen, und dann merkte Locke, dass ein Pfeilhagel eingesetzt hatte. Jetzt war die Schlacht in vollem Gange.

7
     
     
    »Raffiniertes Syresti-Luder!«, fluchte Rodanov, als er sich nach der Kollision auf die Füße rappelte. Drakasha benutzte ihr Briggsegel, um einen Kontakt von Breitseite zu Breitseite zu verhindern. Und wenn schon; er hatte noch mehr Trümpfe im Ärmel.
    »Lasst sie frei!«, brüllte er.
    Ein Matrose, der in größerem Abstand hinter den drei Käfigen stand (rechts und links von Schildträgern geschützt), zog an dem Seil, das die Türen öffnete. Die Türen waren nur wenige Zoll von dem absichtlich beschädigten Teil der Reling entfernt, der bei dem Zusammenprall der Schiffe praktischerweise sauber abgebrochen war.
    Drei ausgewachsene valcona – hungrig, durch Neckereien rasend

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