Sturm ueber roten Wassern
schrie Jean. »Aber zur Hölle, sie liegen hier ja haufenweise rum.«
11
Ydrena Koros kam über die Reling und hätte Zamira fast mit dem ersten Hieb ihres Krummschwerts getötet. Die Klinge prallte von dem Elderglas ab – doch Zamira durchzuckte es siedend heiß bei dem Gedanken, dass ihre Abwehrtechnik nachließ. Sie schlug mit beiden Säbeln zurück, aber Ydrena, klein und gelenkig, hatte genug Freiraum, um den einen Hieb zu parieren und dem anderen auszuweichen.
Die Frau war schnell, schnell und behände; Zamira knirschte mit den Zähnen. Zwei Klingen gegen eine, und trotzdem sauste Koros’ Krummschert wie ein verschwommener silbriger Blitz durch die Luft; Zamira verlor ihren Hut und beinahe auch ihr Leben, als sie in allerletzter Sekunde parierte. Ein weiterer Hieb traf ihre Weste, der nächste schlitzte einen ihrer Armschützer auf. Scheiße – sie prallte mit dem Rücken gegen einen ihrer eigenen Männer. Hier an Deck hatte sie keine Ausweichmöglichkeit.
Plötzlich hielt Koros einen breiten Krummdolch in der linken Hand, täuschte damit an und ließ das Schwert gegen Zamiras Knie sausen. Zamira ließ ihre Säbel fallen und trat in Koros’ Deckung, Brust an Brust. Sie packte Ydrenas Arme und drückte sie mit aller Kraft auseinander und nach unten. Im Nahkampf war sie klar im Vorteil – und wer sich schmutziger Tricks bediente, obsiegte eher als jemand, der fair kämpfte. Zamira rammte Ydrena ihr linkes Knie in die Magengrube, und diese sank auf die Knie; Zamira grub die Finger in ihre Haare und verpasste ihr einen Kinnhaken. Die Zähne der kleineren Frau gaben ein Geräusch von sich wie aneinanderstoßende Billardkugeln. Zamira hievte sie auf die Füße und schleuderte sie von sich weg, auf das Schwert eines Matrosen der Tyrann, der direkt hinter ihr stand. Ein überraschter Ausdruck huschte über das blutverschmierte Gesicht der Frau, um dann mit ihr zu sterben. Zamira empfand mehr Erleichterung als Triumph.
Sie hob ihre Säbel auf; als der Matrose, der nun vor ihr stand, sein Schwert aus Ydrena herauszog und ihren Körper zu Boden sacken ließ, entdeckte er plötzlich eine von Zamiras Klingen in seiner Brust. Der Kampf tobte weiter, und ihre Bewegungen wurden mechanisch – immer wieder drosch sie auf die kreischende Flut von Rodanovs Leuten ein, und die Todesschreie vereinten sich zu einer grausigen Kakophonie. Pfeile sirrten durch die Luft, Blut machte die Decksplanken glitschig; die Schiffe rollten und gierten in den Wellen und ließen die Welt schlingern wie in einem Albtraum.
Sie wusste nicht, ob Minuten oder Ewigkeiten vergangen waren, als Ezri auf einmal neben ihr auftauchte und sie von der Reling wegzerrte. Rodanovs Leute zogen sich zurück, um sich neu zu formieren; das Deck war mit Leichen und Verwundeten übersät; die Überlebenden stolperten oder traten über die Toten, als auch sie in einem wirren Haufen zurückwichen. »Del«, keuchte Zamira, »bist du verletzt?«
»Nein.« Ezri war von oben bis unten blutverschmiert; ihre Lederpanzerung war zerfetzt und ihre Frisur teilweise aufgelöst, doch ansonsten schien sie unversehrt zu sein.
»Was ist mit der ›Fliegenden Eingreiftruppen« »Keine Ahnung, Käpt’n.« »Nasreen? Utgar?«
»Nasreen ist tot. Utgar habe ich nicht mehr gesehen, seit der Kampf ausgebrochen ist.« »Drakasha!«, übertönte eine Stimme das Stöhnen und verstörte Gemurmel auf beiden Seiten. Es war Rodanov. »Drakasha! Hör auf zu kämpfen! Hört alle auf zu kämpfen! Ich habe dir etwas zu sagen, Drakasha!«
12
Rodanov blickte auf den Pfeil, der in seinem rechten Oberarm steckte. Die Wunde war nicht tief, aber der Schmerz, der darin wühlte, verriet ihm, dass der Knochen getroffen sein musste. Er schnitt eine Grimasse, hielt die Pfeilspitze mit der linken Hand fest und brach mit der rechten den Schaft ab. Es tat so weh, dass er nach Luft schnappte, doch das musste vorläufig genügen, bis er die Wunde später ordentlich versorgen konnte. Dann hob er seine Keule und schüttelte Blutstropfen auf das Deck der Tyrann.
Ydrena tot; verflucht noch mal, die Frau, die sechs Jahre lang sein Erster Maat gewesen war, lag auf dem blutverschmierten Deck. Mit seiner Keule hatte er sich den Weg zu ihr gebahnt, Schilde zersplittert und Speere beiseitegeschlagen. Mindestens ein halbes Dutzend Widersacher hatte sich auf ihn gestürzt, aber er war ihnen gewachsen gewesen – Dantierre hatte er glatt über die Seite gefegt. Aber zum Kämpfen war der Raum zu eng,
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