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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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belegen! Mum, Kurs West, bring uns vor den Wind! Brandwache in die Hauptlast! Die Verwundeten nach achtern bringen, zu Magister Treganne!« Vorausgesetzt, Treganne war noch am Leben, vorausgesetzt … dass alles Mögliche noch funktionierte. Sorgen konnte sie sich später machen. Jetzt musste sie ihr Schiff aus der Gefahrenzone bringen.
    Rodanov hatte sich am abschließenden Gefecht auf der Orchidee nicht beteiligt; als Zamira ihn das letzte Mal gesehen hatte, rannte er nach achtern und kämpfte sich durch die Flammen, um das Steuerrad zu erreichen. Ob in einem letzten, hoffnungslosen Versuch, sein Schiff zu retten oder das ihre zu zerstören, würde sie nie erfahren – denn was immer er vorgehabt hatte, er war gescheitert.

18
     
     
    »Hilfe«, flüsterte Utgar. »Hilf mir, zieh den Bolzen raus. Ich kann ihn nicht erreichen.«
    Seine Bewegungen waren schwach, und die Augen blickten glasig. Jean kniete neben ihm, starrte ihn an und stieß ihm dann den Dolch in den Rücken. Utgar schnappte erschrocken nach Luft; immer und immer wieder stieß Jean zu, während Locke zusah; bis Utgar ganz sicher nicht mehr lebte, bis sein Rücken mit Stichwunden übersät war, bis Locke endlich den Arm ausstreckte und Jeans Handgelenk festhielt.
    »Jean …«
    »Es hilft nicht«, staunte Jean. »Götter, es hilft nicht.«
    »Ich weiß«, sagte Locke. »Ich weiß.«
    »Warum hast du sie nicht daran gehindert?« Jean stürzte sich auf Locke, warf ihn auf das Deck und drückte ihm die Kehle zu. Locke würgte und versuchte sich zu wehren, aber natürlich ohne Erfolg. »Warum hast du sie nicht daran gehindert?«
    »Ich wollte es ja«, krächzte Locke. »Aber sie hat dich gegen mich geschubst. Sie wusste, was wir tun würden, Jean. Sie wusste es. Bitte …«
    Jean ließ ihn los und lehnte sich genauso abrupt zurück, wie er angegriffen hatte. Dann blickte er auf seine Hände und schüttelte den Kopf. »Oh Götter, verzeih mir. Verzeih mir, Locke.«
    »Ich verzeihe dir doch immer«, erwiderte Locke. »Jean, es tut mir ja so leid – um nichts in der Welt wollte ich, dass das passiert. Um nichts in der Welt, hast du verstanden?«
    »Ja, ich weiß, was du meinst«, entgegnete er leise. Dann barg er sein Gesicht in den Händen und schwieg.
    Im Südosten tauchte das Feuer an Bord der Tyrann das Meer in ein rotes Licht; die Flammen fraßen sich brüllend die Masten und Takelage hoch, und es regnete verkohltes Segeltuch auf die Wellen wie vulkanischer Auswurf. Der Rumpf verbrannte und ging schließlich in einer Säule aus Dampf und Qualm auf, als das geschwärzte Wrack im Wasser versank.
    »Ravelle!« Drakasha legte eine Hand auf Lockes Schulter und riss ihn aus seinen Betrachtungen. »Kannst du helfen? Ich …«
    »Es geht mir gut.« Taumelnd kam Locke auf die Füße. »Ich kann den Leuten zur Hand gehen. Ich wollte nur … Jerome nicht allein lassen …«
    »Ich verstehe. Ravelle, wir brauchen …«
    »Zamira, Schluss damit. Ich will nichts mehr von Ravelle oder Kosta hören, außer, wenn die Besatzung in der Nähe ist. Meine Freunde nennen mich Locke.«
    »Locke«, wiederholte sie.
    »Locke Lamora. Aber bitte – Ahhh, wem zur Hölle sollten Sie etwas verraten?« Er streckte die Hand nach ihr aus, und plötzlich fielen sie sich in die Arme. »Es tut mir ja so leid«, flüsterte er. »Ezri, Nasreen, Malakasti, Gwillem …«
    »Gwillem?«
    »Ja, er – wurde von einem Pfeil getroffen.«
    »Götter«, stöhnte sie. »Gwillem war auf der Orchidee, als ich sie gestohlen habe. Der Letzte der ursprünglichen Mannschaft. Rav – Locke, Mum steht am Ruder, und fürs Erste sind wir in Sicherheit. Ich muss … ich muss nach unten gehen und nach meinen Kinder schauen. Und ich möchte, dass du dich um Ezris Leiche kümmerst. Die Kinder dürfen sie nicht sehen.«
    »Ich sorge dafür, dass das nicht passiert«, versprach er. »Gehen Sie ganz beruhigt nach unten. Ich übernehme die Arbeit an Deck. Die restlichen Verwundeten müssen zu Treganne gebracht werden. Und die Leichen decken wir mit Segeltuch zu.«
    »Sehr gut«, erwiderte Zamira. »Sie halten das Deck, Meister Lamora. Ich bin gleich wieder da.«
    Ich halte das Deck, dachte Locke und starrte auf die Trümmer, die der Kampf hinterlassen hatte; ein schwankendes Rigg, zerstörte Wanten, eine zersplitterte Reling, überall steckten Pfeile. In jedem Winkel der Kühl und auf dem Vordeck lagen Tote; dazwischen bewegten sich die Überlebenden wie Gespenster, viele humpelten und benutzten ihre Speere und

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