Sturm ueber roten Wassern
Stragos’ Füße rollte.
»Sie sollten wissen«, begann Locke, »dass man mir schon früher Gift verabreicht hat, um mich gefügig zu machen.«
»Tatsächlich? Wie schön. Dann pflichten Sie mir sicher bei, dass eine schleichend wirkende Substanz sinnvoller ist als ein Gift, nach dessen Einnahme man unverzüglich stirbt.«
»Was verlangen Sie von uns?«
»Sie sollen für mich tätig werden«, erklärte Stragos knapp. »In großem Stil. In diesem Bericht steht, dass Sie der ›Dorn von Camorr‹ sind. Meine Agenten trugen mir Geschichten über Sie zu … alberne Anekdoten, die sich nun als Wahrheit entpuppen.
Ich hielt Sie für einen Mythos.«
»Der Dorn von Camorr ist ein Mythos«, behauptete Locke. »Und ich habe nie allein gearbeitet. Wir waren immer eine Gruppe, ein Team.«
»Ja, sicher. Meister Tannens Meriten brauchen Sie mir gegenüber nicht zu erwähnen.
In dieser Akte steht alles. Ich werde Sie beide am Leben lassen, während ich alles für die Aufgabe vorbereite, die ich Ihnen zugedacht habe. Es ist noch zu früh, um darüber zu diskutieren, deshalb verbleiben wir dabei, dass ich Sie vorläufig in Reserve halte.
Bis es so weit ist und ich Ihre Dienste benötige, können Sie ungehindert Ihren eigenen Geschäften nachgehen. Doch wenn ich Sie dann rufe, werden Sie parat stehen.«
»Darauf sollten Sie sich nicht verlassen«, spottete Locke.
»Oh, ich werde Sie keineswegs daran hindern, die Stadt zu verlassen – doch wenn Sie das tun, sterben Sie beide einen langsamen und qualvollen Tod. Und damit wäre doch keinem von uns gedient.«
»Vielleicht bluffen Sie auch nur«, meinte Jean.
»Mag schon sein, aber wenn Sie intelligent sind, dann würde ein Bluff Sie genauso hier halten wie ein echtes Gift, nicht wahr? Ich bitte Sie, Tannen, Sie können sich doch denken, dass mir die Mittel zu Gebote stehen, um nicht auf einen Trick zurückgreifen zu müssen.«
»Und was hindert uns daran zu fliehen, nachdem wir das Gegengift erhalten haben?«
»Dieses Gift ist latent, Lamora. Es schlummert monate-, wenn nicht gar jahrelang im Körper. Ich verabreiche Ihnen das Heilmittel in bestimmten zeitlichen Abständen, solange Sie sich nicht mit mir anlegen.«
»Und welche Garantie haben wir, dass Sie uns auch dann noch das Gegengift geben, wenn wir diesen Auftrag, den Sie uns erteilen wollen, ausgeführt haben?«
»Gar keine.«
»Uns bleibt also gar keine andere Wahl, als Ihnen zu gehorchen.« »Exakt.«
Locke schloss die Augen und massierte sie vorsichtig mit den Knöcheln seines Zeigefingers. »Dieses vorgebliche Gift. Wird es unser normales Alltagsleben in irgendeiner Weise beeinflussen? Kann es unser Urteilsvermögen, unsere Beweglichkeit oder Gesundheit beeinträchtigen?«
»Nicht im Geringsten«, entgegnete Stragos. »Sie werden gar nichts merken, es sei denn, die Zeit für das Gegengift ist weit überschritten, doch dann setzt die Wirkung schlagartig ein. Bis es jedoch dazu kommt, können Sie Ihr Leben unbehindert und wie gewohnt fortführen.«
»Sie haben uns bereits ganz gewaltig behindert«, erklärte Jean. »In dieser Sache mit Requin sind wir an einem äußerst kitzligen Punkt angelangt.«
»Requin hat uns die strikte Anweisung erteilt«, legte Locke nach, »nichts Verdächtiges zu unternehmen, während er Erkundigungen über unsere jüngsten Aktivitäten einzieht. Von den Häschern des Archonten auf offener Straße ergriffen und verschleppt zu werden, dürfte wohl als verdächtig eingestuft werden.«
»Das wurde bereits berücksichtigt«, erwiderte der Archont. »Die meisten der Leute, die Sie hierher brachten, sind Mitglieder in einer von Requins Gangs. Er weiß nur nicht, dass sie für mich arbeiten. Sie werden berichten, dass sie Sie irgendwo in der Stadt gesehen haben, auch wenn andere das Gegenteil behaupten.«
»Sind Sie sicher, dass Requin keine Ahnung hat, wem diese Leute in Wirklichkeit dienen? Glauben Sie, dieser Mann ist dumm oder blind?«
»Mögen die Götter Ihnen Ihre amüsante Dreistigkeit erhalten, Lamora, aber ich denke nicht daran, mich vor Ihnen zu rechtfertigen. Sie werden meine Befehle befolgen, so wie jeder andere meiner Soldaten. Vertrauen Sie getrost auf meine Urteilsfähigkeit. Ich bin nicht umsonst seit fünfzehn Jahren der Archont dieser Stadt.«
»Wenn Sie sich irren, Stragos, dann liegt unser Leben in Requins Händen.«
»Ihrer beider Leben liegt in meinen Händen, so oder so.«
»Requin ist kein Narr.«
»War um versuchen Sie dann, ihn zu bestehlen?«
»Wir
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