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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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sich zu einem regelrechten Sport entwickelte.«
    In dem Käfig steigerte sich das Summen der Wespen zu einem irrsinnigen Crescendo, als wieder einige aus ihren Zellen flitzten … zwei, drei vier … Locke schüttelte sich und sah hilflos zu, wie die verschwommenen dunklen Umrisse in dem mit Netzen verhängten Käfig umherschwirrten. Der junge Mann versuchte zunächst, sich gegen die zornigen Insekten zu behaupten, dann geriet er jedoch in Panik und fing an, wild mit den Armen um sich zu schlagen. Eine Wespe prallte gegen seinen Handschuh und wurde auf den Boden geklatscht, doch eine andere landete auf seinem Rücken und grub ihren Stachel in sein Fleisch. Der Junge heulte vor Schmerz, schlug nach der Wespe und krümmte den Rücken. Die Menge verstummte vor Schreck und freudiger Erwartung.
    Das Ende kam schnell, aber Locke hätte es niemals als gnädig bezeichnet. Die Wespen umschwärmten den jungen Mann, sausten auf ihn zu, stachen ihn, gruben ihre krallenbewehrten Beine in sein blutdurchtränktes Hemd. Ein Insekt hockte auf seiner Brust, eines auf seinem Arm, der Hinterleib pumpte wie wahnsinnig auf und ab … eines flatterte um seinen Haarschopf, und ein anderes trieb ihm seinen Stachel in den Nacken. Die verzweifelten Schreie des Jungen verwandelten sich in blubbernde, erstickte Laute. Aus seinem Mund tröpfelte Schaum, Blut lief ihm in Rinnsalen über das Gesicht und die Brust, und schließlich stürzte er unter heftigen Zuckungen zu Boden. Die Wespen brummten und stelzten auf seinem Körper herum, grausigen, mit Blut besudelten Ameisen gleich, während sie immer noch wie rasend zustachen und bissen.
    Locke kam das magere Frühstück wieder hoch, das er in der Villa Candesse zu sich genommen hatte; er biss fest auf einen seiner gekrümmten Finger, um durch die Schmerzen zu verhindern, dass er gänzlich die Kontrolle über sich verlor. Als er sich dann Madam Durenna zuwandte, wirkte er völlig gelassen.
    »Nun«, meinte sie und winkte ihm und Jean mit den vier hölzernen Stäbchen zu, »das ist ein kleines Trostpflaster für die Wunden, die Sie mir bei unserem letzten Treffen zugefügt haben. Aber wann gewähren Sie uns in vollem Umfang Revanche?«
    »Wenn es nach mir ginge, sofort«, versicherte Locke. »Doch leider müssen wir uns für den Rest des Abends von Ihnen verabschieden, es gibt da ein paar … politische Probleme zu besprechen. Und ehe wir gehen, kippe ich meinen Drink über der Leiche des Mannes aus, der uns zweihundert Solari gekostet hat.«
    Madam Durenna winkte lässig ab und fing an, ihre silberne Pfeife aus einem Lederbeutel neu zu Befüllen, ehe Locke und Jean zwei Schritte weit gegangen waren.
    Locke kämpfte abermals gegen den Brechreiz an, als er sich dem Käfig näherte. Rings um ihn her zerstreute sich die Menge, kassierte Wetteinsätze ein und tauschte sich begeistert über das ungewöhnliche Spektakel aus. Die letzten Schritte bis zum Käfig konnte Locke beinahe ungehindert zurücklegen. Der Lärm und die Hektik im Saal sorgten dafür, dass die Wespen immer noch aufgeregt brummten. Als Locke vor dem Käfig stand, sprangen zwei Insekten wieder in die Luft, klatschten mit den Flügeln vernehmlich gegen das innere Netz und verfolgten drohend jede seiner Bewegungen.
    Ihre schwarzen Augen schienen ihn zu fixieren, und ihm wurde so unheimlich zumute, dass er sich innerlich krümmte.
    Er kniete so dicht vor dem Leichnam des Jungen, wie es nur ging, und binnen weniger Sekunden stürzte sich mindestens die Hälfte der frei im Käfig schwirrenden Wespen auf das Netz, das nur ein, zwei Fuß von seinem Gesicht entfernt war. Locke schüttete den Inhalt seines halb vollen Rumglases auf den von Wespen bedeckten Toten. Hinter ihm erscholl beifälliges Gelächter.
    »Richtig so, mein Freund«, nuschelte jemand. »Dieser unsportliche Hurensohn hat mich fünfhundert Solari gekostet. Du solltest auch noch auf ihn pissen, wenn du schon mal da unten bist!«
    »Korrupter Wärter«, murmelte Locke hastig, »ich schütte ein Glas Rum auf den Boden, zu Ehren eines Fremden, der ganz sicher nicht. Und warum soll ich mich rar machen?«
    »Ich möchte Durenna und Corvaleur ein bisschen enttäuschen. Solange unsere Situation noch nicht gefestigt ist, würde ich ungern eine weitere Nacht damit verbringen, Geld zu verlieren und uns zu besaufen. Der bela paranella-Trick könnte auffallen, wenn wir ihn noch einmal anwenden.«
    »Da hast du natürlich recht. Was hältst du davon, wenn ich mich an ein paar anderen Orten

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