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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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versprochen hat.
    Nenn uns nur einen Namen.« »Oh, ihr Götter, ich habe entsetzliche Schmerzen …« Mit der freien Hand griff Jean in ihre Haare und zerrte daran; schreiend bäumte die Frau sich auf. Locke blinzelte, als er ah, wie plötzlich eine lange, dunkle Spitze aus ihrer Brust hervorbrach; das satte Klatschen des Armbrustbolzens nahm er erst einen Sekundenbruchteil später wahr. Überrascht sprang Jean zur Seite und ließ die Frau los, die zusammenbrach und alle viere von sich streckte. Im nächsten Moment spähte er an Locke vorbei und hob drohend die Axt. »Sie!«
    »Zu Ihren Diensten, Meister de Ferra.« Locke drehte den Hals so weit, bis er ein auf den Kopf geteiltes Bild von der Frau sah, die sie vor ein paar Nächten von ’er Straße weggeholt und zum Archonten geschleppt hatte. Ihr dunkles, offenes Haar flatterte in der Brise. Sie trug eine enganliegende Jacke über einer grauen Weste und einem grauen Rock, und in der linken Hand hielt sie eine Armbrust. Gemessenen Schrittes kam sie auf sie zu, aus der Richtung, aus der sie gerade gekommen waren. Locke stöhnte und wälzte sich herum, bis er sie richtig herum sah.
    Neben ihm gab die als Bettlerin verkleidete chassoneuse ein letztes blubberndes Röcheln von sich und starb.
    »Bei allen Göttern, wie konnten Sie so etwas tun?«, schrie Jean. »Sie war kurz davor, mir ein paar Antworten zu geben!«
    »Nein, da irren Sie sich«, widersprach die Spionin des Archonten. »Schauen Sie, was sie in der rechten Hand hält.«
    Locke (der zittrig auf die Beine kam) und Jean folgten der Aufforderung; im matten Licht der Monde und der wenigen im Hafen verteilten Lampen schimmerte ein Messer mit einer schmalen, gekrümmten Klinge. »Mir wurde befohlen, ein wachsames Auge auf Sie zu haben«, erklärte die Frau und stellte sich zufrieden lächelnd neben Locke. »Ein verdammt beschissener Job«, knurrte Jean, sich mit der linken Hand die Rippen massierend.
    »Sie konnten sich doch wacker behaupten, bis es dann auf das Ende zusteuerte.« Die Agentin inspizierte das kleine Messer und nickte. »Sehen Sie, direkt neben der Schneide verläuft eine Rille. Normalerweise bedeutet das, dass die Klinge mit irgendeinem üblen Zeug präpariert ist. Sie wollte Sie so lange hinhalten, bis sie eine Gelegenheit fand, Sie mit dem Messer zu verletzen.«
    »Ich weiß, was eine Rille neben der Schneide bedeutet«, erwiderte Jean gereizt. »Haben Sie eine Ahnung, wer hinter dem Anschlag steckt?« »Ich hätte da ein paar Theorien.«
    »Wären Sie so freundlich, uns diese mitzuteilen?«, fragte Locke genervt. »Ja, sowie ich einen entsprechenden Befehl erhalte«, beschied sie ihm in zuckersüßem Ton.
    »Mögen die Götter sämtliche Verrari verdammen und ihnen mehr Geschwüre an den Arsch hexen, als sie Haare auf dem Kopf haben!«, fluchte Locke. »Ich wurde in Vel Virazzo geboren«, erklärte die Frau. »Haben Sie auch einen Namen?«, erkundigte sich Jean.
    »Sogar mehrere. Alle genauso wohlklingend wie falsch. Ihr zwei dürft mich Merrain nennen.«
    »Merrain. Au!« Locke zuckte zusammen und rieb sich den linken Unterarm. Jean legte eine Hand auf seine Schulter. »Irgendwas gebrochen, Leo?«
    »Nicht viel. Höchstens mein Stolz und mein Glaube an das Wohlwollen der Götter.« Locke seufzte. »In den letzten Nächten fiel uns auf, dass wir verfolgt werden, Merrain. Waren Sie das?«
    »Ich bezweifle, dass die Leute, die Sie gesehen haben, zu uns gehörten. Und nun sollten Sie Ihre Sachen wieder einsammeln und weitergehen, meine Herren. In dieselbe Richtung, die Sie zuvor eingeschlagen hatten. Bald wird es hier von Konstablern wimmeln, und die Polizei nimmt von meinem Arbeitgeber keine Befehle entgegen.«
    Locke klaubte seine blutigen Stilette auf und wischte sie, bevor er sie wieder in seine Ärmel steckte, an der Hose des Mannes ab, den er getötet hatte. Nun, da die Hitze des Kampfes abgeflaut war, wurde ihm beim Anblick des Toten übel, und er rückte so schnell wie möglich wieder von ihm ab.
    Jean nahm seinen Rock und steckte die beiden Äxte zwischen die Falten. Nicht mehr lange, und sie marschierten zu dritt los, Merrain, die sich bei ihnen eingehängt hatte, in der Mitte.
    »Mein Arbeitgeber«, erklärte sie nach einer Weile, »trug mir auf, Sie heute Nacht zu beobachten und Sie in einem günstigen Augenblick zu einem Boot zu bringen.«
    »Wunderbar«, erwiderte Locke. »Noch ein privates Gespräch?«
    »Das weiß ich nicht. Aber wenn ich raten sollte, würde ich tippen, dass er

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