Sturm ueber roten Wassern
einfach nicht schmeckt. Aber wenn es uns die Möglichkeit eröffnet, einen Wendehals im näheren Dunstkreis des Archonten zu platzieren … ich denke, das können wir wagen. Es kostet uns nicht viel Mühe, und wir sollten die Chance nutze n.«
»Nun, Meister Kosta.« Requin trat vor ihn hin und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Wie gefällt Ihnen die Einschätzung Ihres Charakters?«
»Ich beklage mich nicht.« Locke versuchte, sich seine ehrliche Erleichterung nicht zu sehr anmerken zu lassen.
»Dann wird es fürs Erste Ihre Aufgabe sein, den Archonten zufriedenzustellen. Damit er Ihnen auch pünktlich das Gegengift verabreicht.«
»Ich werde mein Bestes tun – mögen die Götter mir beistehen.« Nachdenklich kratzte Locke sich das Kinn. »Ich werde ihm berichten müssen, dass wir Sie persönlich kennengelernt haben; mit Sicherheit hat er seine Spitzel im Sündenturm, die es früher oder später ohnehin rauskriegen. Er soll es lieber von mir erfahren als von seinen Spionen.«
»Das ist richtig. Besteht die Wahrscheinlichkeit, dass er Sie bald wieder auf den Mon Magisteria kommen lässt?«
»Wie bald es sein wird, vermag ich nicht zu sagen. Aber er wird nach uns schicken, das ist so gut wie sicher.«
»Schön. Vielleicht lässt er sich dann wieder über seine Pläne aus. Und nun kehren Sie ruhig zu Meister de Ferra und Ihrer abendlichen Unterhaltung zurück. Werden Sie heute Nacht jemanden betrügen?«
»Wir sind erst vor Kurzem eingetroffen. Als ich zu Ihnen geholt wurde, sahen wir uns gerade die Käfig-Schau an.«
»Ach ja, die Wespen. Diese Monster habe ich nur einem glücklichen Zufall zu verdanken.«
»Ein ziemlich gefährlicher Besitz.«
»Das kann man wohl sagen. Ein Jeremitischer Kapitän brachte eine Brutwabe und eine Königin mit, die er verkaufen wollte. Meine Leute gaben dem Zoll einen Tipp, ließen den Mann hinrichten, verbrannten die Königin, und die restlichen Wespen verschwanden, nachdem sie beschlagnahmt worden waren, in meinen Lagerhallen. Ich wusste, dass ich noch Verwendung für sie finden würde.«
»Und wer ist der junge Bursche, der gegen sie kämpft?«
»Irgendein achter Sohn eines adligen Niemand, mit wenig Hirn und hohen Spielschulden. Er sagte, er würde sie begleichen, und wenn es das Letzte wäre, was er in seinem Leben täte. Ich nahm ihn beim Wort.«
»Nun ja, ich habe hundert Solari auf ihn gesetzt, deshalb hoffe ich, dass er dieses Spektakel übersteht.« Er wandte sich wieder an Selendri. »Soll ich jetzt in den Fahrstuhl steigen?«
»Ja, aber er bringt Sie nur bis zur sechsten Etage. Von da aus können Sie laufen.« Sie deutete ein spöttisches Lächeln an. »Allein.«
4
Als Locke sich endlich mithilfe seiner Ellbogen in die zweite Etage zurückgekämpft hatte und einen Blick auf den Käfig warf, erschauerte er. Der junge Mann hinkte, blutete aus vielen Wunden und konnte sich kaum noch auf den Beinen halten.
Seufzend zwängte sich Locke durch das Gedränge.
»Meister Kosta! Mir scheint, Sie sind gerade noch rechtzeitig gekommen, um das Ende zu erleben.«
Madam Durenna lächelte ihn über ihren Drink hinweg an; sie schlürfte einen milchigen, orangefarbenen Likör aus einem schmalen Glas, das beinahe ein Fuß hoch war. Jean nippte an einem kleineren Pokal, in dem sich eine hellbraune Flüssigkeit befand, und das gleiche Getränk schob er nun Locke zu, der es mit einem dankbaren Nicken annahm. Rum mit Honig -hochprozentig genug, um nicht Durennas Verachtung herauszufordern, aber wiederum nicht so stark, dass es den Verstand gleich zu Beginn des Abends getrübt hätte.
»Ist es schon so weit? Ich entschuldige mich, wenn ich so lange abwesend war. Eine alberne kleine Angelegenheit.«
»Albern? Wenn ein Mitglied der Priori daran beteiligt ist?«
»Ich habe den Fehler gemacht, diesem Herrn letzte Woche einen Kartentrick zu zeigen«, erwiderte Locke. »Nun trifft er Vorkehrungen, damit ich denselben Trick einem seiner … äh … Freunde vorführe.«
»Dann muss es ja ein sehr beeindruckender Trick sein. Noch beeindruckender als das, was Sie für gewöhnlich an einem Spieltisch demonstrieren?«
»Das wage ich zu bezweifeln, Madam.« Locke trank einen großen Schluck aus seinem Glas. »Denn wenn ich einen Kartentrick vorführe, muss ich keine Rücksicht auf exzellente Gegenspieler nehmen.«
»Hat schon mal jemand versucht, Ihnen Ihre schrecklich glatte Zunge abzuschneiden, Meister Kosta?«
»Ich könnte Ihnen mehrere Städte nennen, in denen es
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