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Sturm über Sylt

Sturm über Sylt

Titel: Sturm über Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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Rechteck immer heller wurde. Bald würde die Sonne ihre Strahlen in diesen Teil des Speichers schicken, der sich so erfolgreich von dem übrigen trennte, dass jemand, der sich auf den Speicher verirrte, hinter dem alten Schrank kein Versteck vermuten würde.
    Sönke hielt seinen kleinen Zufluchtsort sauber, nirgendwo gab es Staub oder Spinnweben. Insa hatte ihm sogar etwas gegeben, was ihm Behaglichkeit schenkte, ein Deckchen auf dem wackeligen Tisch, ein paar Kissen und ein Regalbrett, auf dem einige Bücher standen. Anscheinend sollte Sönke diese Zeit nutzen, um seine Bildung zu verbessern.
    Wieder blickte sie in sein Gesicht, in dem es nun zuckte. Winzige Bewegungen entstanden in seinen Mundwinkeln und Nasenflügeln, Sönke würde bald erwachen. Wie lange sollte er sich hier verstecken? Bis der Krieg zu Ende war? Ludwig hatte gesagt, er würde nicht lange dauern. Aber was, wenn doch? Ein junger Mann wie Sönke, der frische Luft und körperliche Arbeit gewöhnt war, konnte sich nicht monate- oder gar jahrelang auf einem Speicher verstecken!
    Seine Lippen bewegten sich, er gab Schmatzgeräusche von sich und runzelte die Stirn, als fühlte er sich gestört. Seine Augenlider zuckten, er blinzelte. Alettas Anblick erschreckte ihn derart, dass er zusammenzuckte und die Schläfrigkeit aus seinem Gesicht fiel.
    »Guten Morgen.« Aletta versuchte ein Lächeln. »Wird meine Schwester bald kommen?«
    Sönke rieb sich die Augen. »Sie kommt immer, bevor die Soldaten aufwachen oder nachdem sie das Haus verlassen haben. Aber immer, bevor ihre Schwester aufwacht.«
    »Warst du mal wieder an der frischen Luft, seit du hier bist?«
    Er schüttelte den Kopf. »Geht nicht.«
    »Warum hast du dich nicht in Dirk Stobarts Haus versteckt?«
    »Geht nicht«, antwortete Sönke auch diesmal. »Seine Frau hätte mich gefunden.«
    »Du bist zuerst in die Dünen geflohen? Da hast du Enten gejagt?«
    »Und dann über einem Feuer gebraten. Aber die Inselwache ist überall.«
    »Wer hat dich hierhergebracht?«
    »Die Frau. Die andere.«
    »Warum hat sie das getan? Warum hat sie dich nicht zur Polizei gebracht?«
    In Sönkes Gesicht stand mit einem Mal grelle Angst. »Sie ist eine gute Frau. Sie kennt mich. Sie hat gesagt, sie hilft mir, weil sie mich gernhat.«
    »Warum hat sie dich nicht in ihrem Haus versteckt?«
    »Geht nicht. Dort ist kein Platz.«
    »Deswegen hat sie meine Schwester gebeten, dir zu helfen?«
    Sönke wurde unsicher, so, als käme es ihm jetzt ebenfalls merkwürdig vor, dass Insa bereit gewesen war, dieses hohe Risiko auf sich zu nehmen. »Sie ist eine gute Frau«, sagte er und wiederholte es so oft, bis er wieder sicher war, dass eine gute Frau mehr Macht hatte als der Krieg.
    »Du hast nie erfahren, wer deine Mutter ist?«, fragte Aletta, obwohl sie die Antwort kannte.
    Sönke schüttelte den Kopf. »Sie muss eine schlechte Frau gewesen sein. Ich hasse sie.«
    »Vielleicht konnte sie nicht anders«, meinte Aletta. »Aber was ist mit Dirk Stobart? Liebst du ihn?«
    Sönke hatte noch nie über Liebe gesprochen. Oder er hatte Angst vor diesem Wort. Während er nach einer Entgegnung suchte, ergänzte Aletta: »Du musst keine Angst haben. Von mir erfährt niemand, dass du homosexuell bist.«
    »Homo ...?«
    »Schwul!«
    »Das darf nicht sein«, flüsterte Sönke.
    »Ich weiß. Homosexualität wird bestraft.«
    Sönke hatte nun Tränen in den Augen. »Wenn man nicht in den Krieg will ... das wird auch bestraft.«
    »Der Krieg wird nicht lange dauern«, versuchte Aletta zu trösten. Ludwig hatte es gesagt, immer wieder, bevor er Sylt verlassen musste, er war womöglich genauso wenig zuversichtlich gewesen, wie Aletta es jetzt war. Aber so, wie sie Ludwig geglaubt hatte,hing nun auch Sönke an ihren Lippen und suchte dort nach Worten, die er glauben konnte. »Die Schlacht bei Tannenberg hat über neunzigtausend Russen in deutsche Gefangenschaft gebracht«, sagte sie, obwohl sie nicht wusste, ob Sönke es verstehen würde. »Die Russen hatten Schwierigkeiten mit der Logistik. Sie haben es nicht geschafft, rechtzeitig für Nachschub zu sorgen. Außerdem vertrauen sie immer noch auf die Kavallerie. Ein schwerer Fehler! Die russischen Reiter sind direkt in die Maschinengewehrsalven geritten.«
    Nun schien Sönke zu verstehen. »Deutschland gewinnt den Krieg?«
    Aletta nickte, schloss kurz die Augen und hielt wieder das Neugeborene im Arm, dem sie zuflüsterte, dass alles gut würde. »Natürlich. Schon bald.«
    Eine halbe Stunde

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