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Sturm über Sylt

Sturm über Sylt

Titel: Sturm über Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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Hausfrau war, wie sie sich jeder Mann wünschte, aber auch streng und ohne jede Heiterkeit. Und dass sie das Zeug zu einer guten Mutter hatte, wurde bald ganz offen bezweifelt. Jeder sah ja, dass Insa sich ungern und nur äußerst selten mit ihrer kleinen Schwester abgab, Aletta sogar oft zurückwies, wenn sie sich an Insa schmiegen wollte, und am liebsten über die Kleine hinwegsah.
    Als Aletta aus dem »Miramar« zurückkam, war sie jedoch voller Interesse. »Was wollte die elegante Dame von dir?«
    Aletta hielt ohne weiteres ihrem Blick stand. »Sie braucht ein Dienstmädchen.«
    Insas Misstrauen vertiefte sich. »Das ›Miramar‹ ist voller Dienstmädchen. Und du bist erst zehn Jahre alt.«
    »Sie will aber, dass ich ihr demnächst zweimal in der Woche helfe«, beharrte Aletta und öffnete ihre rechte Faust. »Hier hat sie es aufgeschrieben.«
    Nun war auch die Mutter aufmerksam geworden. Mit Insa beugte sie sich über den Zettel, auf den der Name des vornehmsten Hotels Westerlands aufgedruckt war. »Wahrscheinlich sollst du ihr vorlesen«, vermutete die Mutter. »Oder sie möchte, dass du ihr etwas vorsingst. Anscheinend hat ihr dein Gesang gefallen.«
    Aletta nickte erleichtert. »Ja, das hat sie gesagt. Vorlesen und vorsingen ...«
    Die Mutter nickte zufrieden. »Hat sie gesagt, was du dafür bekommen wirst?«
    Aletta starrte sie erschrocken an. »Nein.«
    Insa dachte kurz nach. »Fünfzig Pfennige pro Woche sollte sie Aletta schon geben. Was meinst du?«
    Die Mutter stand auf, ging zum Herd und nahm den Deckelvon einem Topf, um den Zustand des Steckrübeneintopfs zu überprüfen. »Wir sollten langfristiger denken«, entgegnete sie. »Wenn Aletta alles richtig macht, nimmt Frau Etzold sie vielleicht später mit nach Kassel. Womöglich kann sie dort Haushälterin werden.«
    Insa sah ihre kleine Schwester streng an. »Also pass auf, dass du alles richtig machst. Aber lass dich trotzdem nicht mit ein paar Pfennigen abspeisen.«

II.
    Der Alte Kursaal erstrahlte im schönsten Glanz. Die Kristallleuchter, die über den Sitzreihen hingen, waren auf Hochglanz gebracht worden, die dunklen Holzböden schimmerten, die hölzernen Wandvertäfelungen waren noch am Morgen abgestaubt worden. Der Kurdirektor wollte alles tun, um die berühmte Tochter der Stadt in angemessener Umgebung zu würdigen. Die vierhundert Sitzplätze, die der Saal bot, waren noch erweitert worden durch Klappstühle neben den Sitzreihen und hinter der letzten Reihe. So würden vierhundertfünfzig Personen dem Konzert Aletta Lornsens beiwohnen können, damit würde der Saal zum Bersten gefüllt sein.
    Schon eine Stunde vor Konzertbeginn füllten sich die Reihen. In den kleinen Raum hinter der Bühne, in dem Aletta ihre Stimme aufwärmte, sich mit Entspannungsübungen vorbereitete und sich schminken und frisieren ließ, drang schon bald das Stimmengewirr. In den großen Konzerthäusern achtete man darauf, die Künstler vom Publikum akustisch abzuschirmen, damit niemand schon vorher eine Ahnung davon bekam, wie gut oder schlecht die Vorstellung besucht sein würde, aber das Kurhaus von Westerland war eben nicht vergleichbar mit der Mailänder Scala oder der Staatsoper in Wien. Auch die Bühne, die Aletta vorfinden würde, war mit ihren fünfzehn Metern Breite mehr alsbescheiden, dennoch war ihr Lampenfieber nie so groß gewesen wie in diesem Augenblick. Ihr war, als hinge ihre Zukunft von dem heutigen Auftritt ab.
    Zum Glück ließ Ludwig nicht erkennen, dass dieses Konzert anders war als jedes andere vorher! Er hatte alles so gemacht wie immer, hatte sie an den Ort ihres Auftritts gebracht, sie abgeschirmt, dafür gesorgt, dass sie nicht belästigt wurde, hatte mit ihr zusammen die Bühne besichtigt, Unklarheiten beseitigt, Fragen für sie beantwortet und sie dann in ihre Garderobe gebracht und ihr versprochen, dass niemand sie stören würde, dass nur die Garderobiere und die Friseurin zu ihr vorgelassen würden. Dann war er gegangen, aber Aletta wusste, dass er auch diesmal immer in ihrer Nähe sein würde und sie jederzeit nach ihm rufen konnte.
    Sie lehnte sich zurück, atmete den Geruch dieses kleinen Raums ein, den sie nicht kannte und der ihr doch vertraut zu sein schien, weil er zu Sylt gehörte und jeder Raum der Insel einen Geruch trug, den es nirgendwo anders gab. Wo einmal der Wind eingedrungen war, der übers Meer kam, roch es nach Heimat.
    Die Stimmen aus dem Zuschauerraum drangen durch die geschlossene Tür, auf dem Gang hörte sie

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