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Sturm über Sylt

Sturm über Sylt

Titel: Sturm über Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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nicht, was man Dirk vorwarf, und schob sie zu der Stiege, die vom Speicher hinabführte. »Beeil dich! Und schließ hinter dir ab! Der Schlüssel hängt in der Küche unter den Geschirrtüchern.«
    »Schlüssel? Warum?«
    »Ich möchte nicht, dass plötzlich ein Nachbar im Haus steht, der Sönke hören könnte.«
    »Aber auf Sylt schließt tagsüber niemand sein Haus ab! Nur nachts! Das könnte Verdacht erregen.«
    Insa schob sie weiter und antwortete nervös: »Wir müssen es wagen. Dieses Risiko ist das kleinere.«
    Aletta lief in ihr Zimmer, um sich eine saubere Schürze vorzubinden, da hörte sie den Schrei. Sönke hatte sein Versprechen vergessen, der Schmerz war größer als sein Vorsatz. Aletta spürte, dass sie zitterte. Die Angst vor Entdeckung war bisher nur ein Gespenst gewesen, das gelegentlich durchs Haus huschte, aber jedes Mal von der Nähe zu Insa vertrieben worden war. Das gemeinsame Geheimnis, die Unterstützung, Insas Anerkennung, die Zusammengehörigkeit, das alles hatte bisher schwerer gewogen. Jetzt aber schrie die Angst in ihr und übertönte alles andere. Sönke musste zur Ruhe gebracht werden. Spätestens am Abend, wenn es auf Sylt still wurde und die Lichter in den Häusern erloschen, durfte vom Speicher kein Laut herunterdringen.
    Aletta lauschte noch kurz auf Fraukes besänftigende Worte, auf Insas Schritte und Sönkes Stöhnen, dann lief sie die Treppe hinab, verließ das Haus und sperrte sorgfältig hinter sich ab. Die Nachbarin, die ihr kurz darauf begegnete, grüßte freundlich, eine andere war derart mit ihren eigenen Gedanken und Sorgen beschäftigt, dass sie über Aletta hinwegsah. Das schenkte ihr Ruhe und Kraft. Die Erinnerung an die Zeit, in der sie nur bei Dunkelheit unbehelligt geblieben und nur in Ludwigs Gegenwart vor lästigen Verehrern geschützt war, flog an ihr vorbei. Sie fasste sie nicht, aber die Erleichterung, dass sie wieder eine von vielen war, blieb doch bei ihr.
    Als sie am »Hotel Lauritzen« ankam, war es kurz vor zwölf. Sie wusste, dass Jorit noch nicht zu Hause sein konnte. Die Kommandanten nahmen es mit den Dienstzeiten neuerdings sehr genau. Keine Minute früher durften die Gewehre zur Seite gelegt werden, und wehe, jemand meldete sich auch nur wenige Augenblicke zu spät zum Dienst zurück! Die Aussicht auf mehrere Stunden Strafexerzieren hatte alle Mitglieder der Inselwache schnell zur Pünktlichkeit erzogen.
    Aletta entschloss sich, am Hotel vorbeizulaufen, um Jorit entgegenzugehen.Ihre Sorge, Maike Peters bei den Lauritzens zu begegnen, war zu groß. Sie hatte gehört, dass Jorit von einer Gefahr gesprochen hatte, davon, dass niemand dahinterkommen durfte. Wenn sie glaubte, dass mit der Gefahr ein Ehebruch gemeint war, hinter den niemand kommen durfte ... nicht auszudenken, wie es jetzt in Tommas Mutter aussah! Sie würde falsche Schlüsse ziehen, Aletta selbst würde sich am Ende dazu hinreißen lassen, sich zu verteidigen, obwohl es keinen Grund dafür gab, und damit würde Maike Peters dann einen Grund gefunden haben. Nein, am besten, sie hatte mit dieser Frau so wenig wie möglich zu tun.
    Sie sah Jorit, als er von der Friedrichstraße in die Paulstraße einbog. Sein Schritt war forsch, seine Haltung aufrecht, auf seinem Gesicht lag noch das Lächeln, mit dem er soeben einen Bekannten begrüßt hatte. Es erlosch, als er Aletta sah und begriff, dass sie auf ihn wartete.
    »Ist was passiert?«, fragte er besorgt.
    Aletta nickte. »Dirk Stobart ist verhaftet worden.«
    Als sie ihm erzählen wollte, was sie beobachtet hatte, waren sie bereits vor dem Hoteleingang angekommen. Jorit unterbrach sie mit einer kleinen Geste. »Komm mit in meine Wohnung, dort können wir in Ruhe reden.«
    Die Empfangsdiele war leer, es war still im Haus. In der Küche arbeitete niemand, das Kontor war verwaist, seit die Feriengäste die Insel verlassen hatten und die Dienstboten in ihre Heimatorte zurückgekehrt waren. Nur von oben drangen Geräusche herab. Die Zimmer, die die Peters mit ihrer Tochter bezogen hatten, lagen anscheinend in der ersten Etage. Hinter einer der Türen hörte Aletta die Stimme von Ocke Peters und ein leises Wehklagen, das wie der Klang einer Geigensaite vibrierte.
    Jorits Wohnung lag im Dachgeschoss. Wie alle Sylter, die Fremdenzimmer zu vermieten hatten, waren seine eigenen Räumlichkeiten dort eingerichtet worden, wo es für Feriengäste nicht bequem war. Die Holztreppe knarrte, prompt ertönten hinter einer Tür Schritte. Dass Alettas Kleid

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