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Sturm über Sylt

Sturm über Sylt

Titel: Sturm über Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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zog eine Schublade seines Schreibtischs auf und griff hinein. In der Hand hielt er ein Päckchen mit blauer Aufschrift. »Aspirin ist harmlos, hat mir mein Schwiegervater erklärt. Gegen Kopfschmerzen und Fieber hilft es hervorragend.«
    Er drückte es Aletta in die Hand, dann tastete er eine Weile auf dem Medikamentenschrank herum. Schließlich hatte er gefunden, was er suchte. Seine Hände bebten, als er versuchte, den Schlüssel ins Schloss des Medikamentenschranks zu stecken. »Ich fürchte, das Aspirin wird nicht reichen.«
    Aletta sah ihm atemlos zu. »Was suchst du?«, fragte sie flüsternd.
    »Opium! Vorgestern hat mein Schwiegervater es herausgeholt. Für den alten Christiansen, der unter sehr starken Schmerzen leidet. Er wird bald sterben, und mein Schwiegervater hat gesagt, mit Opium wird er schmerzfrei bleiben. Was für so einen alten, schwerkranken Mann richtig ist, kann auch für Sönke nicht falsch sein.«
    »Opium ist ein Rauschgift!«
    »Im deutsch-französischen Krieg hat man Verletzte damit behandelt.Sehr erfolgreich, hat mein Schwiegervater mir erzählt. Und Hamburg ist ein Umschlagplatz dafür geworden. Es gibt dort regelrechte Opiumhöhlen. Opium wirkt auch beruhigend.«
    »Und wenn es zu stark ist? Wenn Sönke es nicht verträgt?«
    »Der alte Christiansen ist 87, Sönke noch nicht mal zwanzig.«
    Endlich steckte der Schlüssel im Schloss, Jorit öffnete die Schranktür ... und verharrte wie angewurzelt in der Bewegung. Aus dem Haus drang ein Geräusch, das ihn alarmierte. Auch Aletta horchte auf, lauschte angestrengt, ohne sich zu bewegen, obwohl sie am liebsten ein Ohr an die Tür gelegt hätte. Dann das leise Klappen einer Tür! Die Verbindungstür zwischen Altund Neubau?
    Jorit ließ von dem Medikamentenschrank ab und drängte sich an Aletta vorbei zur Tür. »Meine Schwiegermutter! Ich muss sie aufhalten.« Er lauschte mit vorgerecktem Ohr, dann schien er sich sicher zu sein. »Ich lenke sie ab. Rechts oben, das verschlossene Fach. Der Schlüssel steckt. Die dunklen Fläschchen sind die richtigen!«
    »Aber ...« Aletta starrte Jorit entgeistert an.
    »Mach!«, drängte Jorit. »Und dann durch diesen Raum zurück!« Er zeigte auf eine Tür. »Von dort geht es auf den Flur im alten Haus.«
    Ohne auf Alettas Widerstand zu achten, huschte er durch die Tür und schloss sie leise hinter sich. Kurz darauf hörte sie seine Stimme.
    Mit zwei schnellen Schritten war sie am Schrank. Das rechte obere Fach! Ja, der Schlüssel steckte! Dunkle Fläschchen? Ja, es gab mehrere dort, keins von ihnen trug eine Aufschrift. Mit zitternden Händen nahm Aletta das nächstbeste an sich, wollte es in ihre Schürzentasche stecken, aber ihre fahrigen Finger griffen nicht richtig zu. Das Fläschchen fiel zu Boden und rollte unter den Medikamentenschrank. Aletta stöhnte auf. Zum Glück war es nicht zerbrochen!
    Jorits Stimme kam näher. Aletta war unfähig, sich auf das konzentrieren,was er sagte, ihre Sinne waren nur auf die kleine Flasche gerichtet, die unter dem Medikamentenschrank verschwunden war. Sie ging in die Knie, fühlte mit der linken Hand über den Boden, blieb aber ohne Erfolg. Verzweifelt beugte sie sich so tief, dass sie unter den Schrank schauen konnte. Da! Nun sah sie die Flasche. Mit spitzen Fingern erreichte sie sie, stieß sie aber von sich weg, statt sie zu ergreifen. Die Flasche rollte gegen die Wand, zu weit weg, um sie zu erreichen, trudelte jedoch glücklicherweise zurück. So weit, dass Aletta es schaffte, sie zurückzuholen. Erleichtert erhob sie sich, warf viel zu laut die Lade zu, schob die Schranktür unachtsam ins Schloss, zog den Schlüssel ab und warf ihn auf den Schrank, wo Jorit ihn hergeholt hatte. Seine Stimme war schon wieder etwas näher gekommen. Es wurde Zeit! Höchste Zeit!
    Zum Glück schaffte sie es trotz ihrer Aufregung, die Tür zum Nachbarzimmer leise zu öffnen und ebenso geräuschlos zu schließen. Das war ihr gerade gelungen, als sie hörte, dass das Zimmer betreten wurde, das sie soeben verlassen hatte.
    Nun war Jorits Stimme gut zu verstehen. »Besuch? Nein, du irrst dich, ich habe keinen Besuch mitgebracht.«
    Die gemurmelte Zustimmung konnte sowohl von Maike als auch von Ocke Peters stammen, von einem der Dienstmädchen oder von Beeke. Aber als sie die Schritte hörte, war sie sicher, dass es Maike Peters war, die durch den Raum ging. Die Ledersohlen ihrer Schuhe mit den eleganten Absätzen verrieten sie.
    Aletta schloss die Augen fest und atmete tief durch, ehe

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