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Sturm über Sylt

Sturm über Sylt

Titel: Sturm über Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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und atmete tief durch, ehe sie sie herunterdrückte und die Küche betrat.
    Insa schaute nicht auf. »Bequemt sich die große Sängerin endlich aus dem Bett?«
    Aletta schluckte den Tadel hinunter wie jeden Morgen, weil es ihr noch nie gelungen war, vor Insa in der Küche zu erscheinen. »Guten Morgen!«
    Die Küche war voller Licht, Wärme und Wohlgerüchen. Ein blauer Himmel war über den Häkelgardinen zu sehen, die Sonne ließ vergessen, dass die Küche von dem Herd gewärmt wurde, den Insa direkt nach dem Aufstehen anzufeuern pflegte, sommers wie winters.
    Aletta setzte Wasser auf, um sich einen Tee zu kochen. Während sie sprach, drehte sie Insa den Rücken zu. »Es war ein Fehler, Mutters Kleider zu Frauke Lützen zum Ändern zu geben. Wenn mein Bauch dicker wird, muss sie die Abnäher wieder rauslassen.«
    Insa begann mit dem Spülen und antwortete nicht.
    »Als ich gestern Abend ihre Stimme hörte«, fuhr Aletta fort, »habe ich mir überlegt, noch einmal aufzustehen, um ihr die Kleider gleich mitzugeben.«
    Insa unterbrach ihre Arbeit, und Aletta wandte sich ihr zu. Sie wollte nun Insas Gesicht sehen.
    »Wo hast du ihre Stimme gehört?«
    »Im Garten! Merkwürdig, dass sie so spät noch einen Besuch bei dir macht!«
    »Sie hat mich nicht besucht. Du hast dich getäuscht.«
    »Ich bin ganz sicher, dass es Frauke Lützens Stimme war.«
    »Eine Engelmacherin bei mir zu Besuch? Man merkt, dass du keine Sylterin mehr bist. Hier gibt es noch anständige Leute, die mit einer solchen Frau nichts zu tun haben wollen.«
    »Ich denke, du hast Verständnis für Frauen, die ihr Kind nicht bekommen wollen.«
    »Natürlich«, bestätigte Insa. »Aber muss ich deshalb Verständnis für eine Frau haben, die etwas tut, was unter Strafe steht?«
    Insa wartete eine Antwort nicht ab, sondern ließ das Geschirr im Spülwasser stehen und ging nach draußen, während sie sich ihre nassen Hände an der Schürze abtrocknete.
    Aletta lehnte sich gegen den Herd, horchte auf das Summen des Kessels und blieb immer noch unbeweglich stehen, als ihr Teewasser zu kochen begann. Insa belog sie! Warum?
    Langsam folgte sie ihrer Schwester in den Garten, wo Insa sich hektisch im Kräuterbeet zu schaffen machte, als ginge es darum, den Schnittlauch keine Minute länger im Beet zu lassen. Aletta betrachtete eine Weile ihren gebeugten Rücken, schließlich ging sie ins Haus zurück und spülte das Geschirr ab. Dann erst kochte sie den Tee, den sie zum Frühstück trinken wollte. Sie setzte sich an den Tisch und wartete auf Insa, aber ihre Schwester erschien nicht. Als Aletta im Garten nach ihr suchte, lag das Kräuterbeet verlassen da. Insa war verschwunden. Und sie war noch nicht wieder aufgetaucht, als Reik Martensen erschien.Der sonnige Morgen hatte sein Versprechen gehalten. Zwar breitete sich bereits Herbstkühle aus, die der Wind mit nadelfeinen Stichen in den Sonnenschein stickte, aber der wolkenlose Himmel war so blau wie sonst nur im Hochsommer.
    Schon am Vorabend hatte Insa sie mit der Weißkohlernte beauftragt, hatte ihr die Kohlköpfe gezeigt, die erntereif waren, und Aletta angewiesen, darauf zu achten, dass sie nur die festen Köpfe abschnitt. »Die anderen mitsamt den Wurzeln ausgraben! Dann hängen wir sie mit dem Kopf nach unten in den Keller und haben den ganzen Winter über zu essen. Bis dahin sind unsere Vorräte womöglich aufgebraucht. Dann müssen wir sehen, wie wir zurechtkommen.«
    Die äußeren Blätter sollte sie entfernen und die Kohlköpfe, die Insa für die sofortige Verarbeitung zu Sauerkraut vorgesehen hatte, in feine Streifen schneiden. Nach diesen Anweisungen war Insa ins Haus zurückgegangen. Eine Viertelstunde später war Aletta ihr gefolgt, um sich ein Glas Wasser aus der Küche zu holen, aber dort hatte sie Insa nicht vorgefunden. Auch in den anderen Räumen sah sie sich vergeblich nach ihr um. Hielt sie sich in einem der beiden Gästezimmer auf? Dort mochte Aletta nicht nachschauen. Aber als sie sich wieder an die Arbeit machte, rumorten die Fragen in ihr. Nicht nur die Frage nach dem, was Insa vor ihr verbarg, sondern vor allem die Frage, ob sie das Recht hatte, Insas Heimlichkeiten auf den Grund zu gehen. Was immer es sein mochte, es ging sie nichts an. Insa sagte es gelegentlich und zeigte es ihr oft: Ihr Aufenthalt in diesem Hause sollte nicht von Dauer sein, sie war ein Gast, obwohl sie das Haus zur Hälfte besaß, sie gehörte nicht hierher. Sobald der Krieg vorbei war, würde ihre Schwester ihr die

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