Sturm und Drang
Zaubererinnung, aber ich verfügte natürlich auch schon immer über eine robuste Konstitution. »Thraxas der Ochse«, nannte man mich in meiner Jugend. Ich war berüchtigt für meine Stärke. Fragt, wen ihr wollt. Alle werden das bestätigen.
11. KAPITEL
Marihana, die dritte Vorsitzende der Meuchelmördergenossenschaft, schlummert friedlich auf meiner Couch. Ich betrachte sie angewidert und spiele bestimmt schon zum fünften Mal mit dem Gedanken, sie einfach hochzuheben und rauszuwerfen. Wer es zu einem Tabu erklärt hat, einen kranken Hausgast rauszuwerfen, hat sich sicher nie mit so jemandem herumplagen müssen. Ich bin immer noch nicht überzeugt, dass ihre Erkrankung nicht einfach nur eine List ist. Wenn sie plötzlich aufspringen und jemanden meucheln würde, wäre ich nicht sonderlich überrascht.
Ich setze mich an den Schreibtisch und schlage ein Buch über die Geschichte von Turais Marine auf, das ich mir ohne zu fragen aus Makris Zimmer geborgt habe. In ihrer Kammer stehen und liegen in diesen Tagen noch viel mehr Bücher und Schriftrollen herum. Das sind ziemlich teure Gegenstände, und die meisten übersteigen bei weitem ihr Budget, aber es ist ihr gelungen, Sermonatius und seinen Tattergreisen einzureden, dass sie eine aussichtsreiche Studentin wäre. Deshalb leihen sie ihr immer mehr Bücher.
Ich werfe einen Blick in das Werk. Die Handschrift ist winzig und der Inhalt langweilig. Es gelingt dem Historiker, einige wahrhaft legendäre Seeschlachten staubtrocken darzustellen; außerdem zitiert er ständig irgendwelche Quellen, als wenn das jemanden interessieren würde. Ich arbeite mich bis zu dem Kapitel über die Seeschlacht vor der Insel des Toten Drachen durch und hoffe, auf etwas zu stoßen, das mir verrät, wo der Vater von Tanroses Mutter sein Gold verbuddelt hat. Ich bin jetzt ziemlich sicher, dass nichts in der Umgebung des Hafens auch nur im Entferntesten für einen Wal gehalten werden könnte, aber vielleicht haben diese Seeleute mit Wal ja auch etwas anderes bezeichnet.
Auf meinem Schreibtisch steht eine Öllampe, und ich habe meinen Leuchtstab auf volle Leistung eingestellt, aber trotzdem fällt es mir nicht leicht, diese Seiten voller zäher Fakten durchzulesen. Mir fällt auf, dass ich noch nie zuvor ein Geschichtsbuch gelesen habe. Sie sind einfach schrecklich dröge. Schon bald hasse ich sämtliche Personen, die darin auftauchen, und hoffe, dass sie allesamt am Ende des jeweiligen Kapitels tot sind.
Es klopft, doch bevor ich reagieren kann, schlendert Makri auch schon herein. Ich sehe sie strafend an.
»Was? Ich habe geklopft.«
»Gut. Aber du musst warten, bis ich ›Herein‹ rufe.«
»Du bist wohl nie zufrieden, was? Vielleicht sollte ich dir eine Nachricht senden, dass ich komme.«
Überrascht bemerkt Makri das Buch auf meinem Tisch.
»Du liest?«
»Ja. «
»Warum denn das?«
»Um mein Wissen zu erweitern.«
»Du hast kein Wissen, das erweitert werden könnte. Wovon handelt es denn?«
Sie hebt den Umschlag an, um den Titel zu lesen.
»Das ist ja mein Buch! Hast du es dir einfach aus meinem Zimmer genommen?«
»Natürlich habe ich es einfach aus deinem Zimmer genommen. Warum, brauchst du es?«
Sie gibt zu, dass sie es im Moment nicht braucht, aber es missfällt ihr, dass ich es einfach genommen habe. Ich gewinne den Eindruck, dass sie es mir nicht anvertrauen mag.
»Es ist doch nur ein Buch. Was soll schon passieren?«
»Alles Mögliche. Du könntest Bier darüber schütten. Erinnerst du dich noch an den Vorfall in der Bibliothek?«
Ich schiebe verstohlen meinen Bierkrug von dem Buch weg.
»Das ist doch absurd. Warum beschwerst du dich überhaupt? Du solltest dich freuen, dass ich mich um meine Bildung bemühe.«
Makri sieht mich zweifelnd an. »Du führst doch irgendwas im Schilde. Sag mir, worum es geht.«
»Ich führe gar nichts im Schilde. Kann man nicht mal einfach nur ein Buch lesen, ohne dass die Leute gleich einen Aufstand machen? Was willst du überhaupt hier?«
»Es ist Trankzeit«, erklärt Makri, und wie aufs Stichwort betritt Dandelion mein Büro. Sie hält eine Schale mit dampfendem Kräutermedizingebräu in der Hand.
»Wie geht es Chiruixa?« Ich hoffe, dass die Heilerin eine wundersame Heilung erfahren hat.
»Nicht schlecht«, erklärt Dandelion. »Sie scheint nicht so schwer krank zu sein wie die anderen. Sie wollte aufstehen und allen ihre Medizin verabreichen, aber ich habe angeboten, es für sie zu tun.«
Mir kommt der Gedanke, dass die
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