Sturmbote
Bericht erstatten könnten?«
»Doch, sicher«, sagte er und überlegte wohl, wie viel er sagen sollte. »Aber es gibt noch nichts Neues von Lord Isak. Ich habe
gehört, wie ein Magier General Lahk berichtete, dass einige Ritter der Tempel unterwegs seien. Es heißt, sie wollten Lord Isak angreifen, aber der General sagte, das hätte er auch erwartet, dass sie sich in Bewegung setzte.«
»General Lahk hat recht«, sagte Tila bestimmt. »Die Geweihten werden Lord Isak kein Leid antun. Sie ziehen geradewegs zu den sechs Tempeln und werden sie vor der Menschenmenge beschützen, mehr nicht.«
Der Soldat nickte und Tila glaubte kurz Überraschung auf seinen Zügen zu lesen, obwohl das doch jedem klar sein musste, der auch nur das Geringste über die Geweihten wusste.
Das Fenster des schmalen Wachraumes stand zur Stadt hin offen. Ein Gitter schützte vor Eindringlingen, aber nichts hinderte Geräusche daran hineinzudringen: Stimmen, Hufgeklapper und dahinter, weiter entfernt, solche Geräusche, die sie nicht zuordnen konnte. Der vor kurzem aufgekommene Wind fegte hindurch, brachte aber keine Linderung der stickigen Hitze mit sich.
Der Soldat nickte und versuchte damit Tilas Aufmersamkeit zu erregen, die schon wieder ins Nichts starrte. »Seid Ihr sicher, dass ich Euch nichts bringen soll?«, wiederholte er unterwürfig.
Tila nickte. »Ich bin sicher. Ich habe meine Bücher in Tirah gelassen, und nichts anderes hätte ich jetzt gern.«
»Eure Bücher?«
»Ach, alles: Geschichte und Diplomatie, Tagebücher, Abhandlungen über die Prophezeiung. Wer weiß schon, welche Kenntnisse, über ein vergangenes Bündnis oder einen lang zurückliegenden Krieg beispielsweise, für uns wichtig werden könnten? Ich fühle mich so nutzlos, wenn ich hier sitze. Um mich herum erledigen Leute ihre Aufgaben, ich aber habe keine. Wenn ich meine Bücher hätte, könnte ich wenigstens so tun, als wäre ich mehr als eine bloße Last.« Sie seufzte erneut.
Der Soldat trat auf den anderen Fuß und fühlte sich sichtlich unwohl. Er war dazu da, um der Dame einen Tee bringen, nicht aber, um einer Adligen zu sagen, wie sie sich nützlich machen konnte. Er kannte Männer, die für eine Meinungsäußerung zu diesem Thema ausgepeitscht worden waren, darum hielt er den Mund. Wie erwartet erhoffte sie sich von ihm aber ohnehin keinen Beitrag.
»Wenn Ihr Eure Meinung ändert«, sagte er schließlich nach einer Pause, die ihm angemessen erschien, »wenn Ihr irgendetwas braucht, so ruft mich einfach. Ich warte am Ende des Flurs.«
Tila blickte mit müden Augen auf. »Entschuldigung, ich wollte Euch nicht aufhalten. Danke für den Tee. Bitte unterrichtet mich, wenn Lord Isak zurückkehrt.«
Der Soldat nickte und ging aus dem Raum, ließ die Tür aber einen Spalt offen.
Tila lauschte auf die wenigen schweren Schritte, mit denen er zu seinem Posten am Eingang des Wachturms trat und kehrte dann zu ihren Gedanken und der wachsenden Erschöpfung zurück. Sie versuchte die Stunden zu zählen, die seit ihrem letzten tiefen Schlaf vergangen waren, gab aber schließlich auf. Durch die Hitze war die Nachtruhe zu einigen unruhigen Stunden verkommen, in denen sie den Schlaf nur gelegentlich herbeizwingen konnte.
Sie sah sich im Wachraum um. Sie war hierhergekommen, weil hier zwei große Lehnstühle in der Mitte des Zimmers standen, die – jeder für sich – groß genug für ihre kleine, erschöpfte Gestalt waren. Zwischen ihnen stand eine in Leder gebundene Kiste, die von zerfallenden Schlaufen geschlossen gehalten wurde und ihr als Fußbank diente. Sie rollte sich wieder zusammen und ließ ihre Gedanken davontreiben. Der Lärm vor dem Fenster trieb nach und nach in den Hintergrund.
Langsam sanken Tilas Augenlider herab, gezogen von der stickigen Luft des Wachzimmers, die nach Staub, getrocknetem Schlamm und alten Holzspänen roch. Neben ihr befand sich ein alter Feuerrost, in dem Schatten über die kalte Asche tanzten. Sie versuchte sich auf den verrußten Kaminsims zu konzentrieren und die abgenutzten, dunklen Linien des eingeschnitzten Bildes zu erkennen. Sie erwartete Grepel von den Feuerstellen zu sehen, Tsatachs zahmsten Aspekt, mit ihrer brennenden Zunge, die wie bei einem Hund aus dem Mund hing. Aber dann erkannte sie verwundert, dass die sich offenbarenden Linien keine Ähnlichkeit mit Grepel hatten. Also versuchte sie in der Form andere Aspekte Tsatachs auszumachen, aber ihre Gedanken wanden sich wie ein Reh in einer Teergrube, und so gelang
Weitere Kostenlose Bücher