Sturmbote
sich schon bald auf die Leute um das Wesen herum ausbreiteten.
»Seht da, der mit dem Schwert«, rief Jachen und wies mit seiner eigenen Klinge auf einen weiteren Neuankömmling inmitten der Menge. Er war so groß wie der Brennende Mann, trug aber eine Rüstung und ein riesiges Schwert. Seine Haut leuchtete in einem weißen Licht aus sich heraus. So wurden die hageren Gesichtszüge und das verfilzte graue Haar erhellt, das bis zu den Schultern reichte.
Isak erstarrte. Auch diese Gestalt hatte er auf einer der Schreinwände schon gesehen und sie war vermutlich ebenso im Tempel hinter ihm abgebildet, stand als Wache auf einer Seite des Einganges.
Jachen fand seine Stimme wieder und schluchzte fast vor Angst, als er die Neuankömmlinge benannte: »Der Soldat … und, ihr Götter, die Königin des Verfalls! Sie sind alle da, seht doch nur, alle! Der Henker und der Große Wolf … die Schnitter sind gekommen, um uns zu holen!«
Isak packte Tiniq bei der Schulter und zog sich daran auf, was den Waldläufer beinahe zu Boden schickte. Er zwang seine versehrten Lippen auseinander und rief so laut er konnte: »Bleibt auf Euren Posten! Haltet stand!«
»Mein Lord?«, fragte Jachen ungläubig und starrte Isak an, als wäre er ein Monster aus dem Land der dunkelsten Sagen. »Ihr habt die Schnitter beschworen?«
Isak zögerte. Ich glaube schon … ich muss es wohl gewesen sein. Aber wie hätte ich das wissen können? »Ich habe Hilfe geholt«, antwortete er matt.
»Die Schnitter?«, rief Jachen. »Die fünf brutalsten Aspekte Tods?«
Isak wandte sich der Menschenmenge zu, in der sich jetzt ein panisches Heulen durch die ungeordneten Reihen ausbreitete. Die Schnitter, das hättest du wissen müssen. Was hast du denn erwartet, welche Aspekte der Götter nah genug sein würden, um Gestalt anzunehmen,
wenn sich die letzten Leute in einer Stadt auf den Tod vorbereiten? »Wir verteidigen die Tempel und sie sind Aspekte Tods«, sagte er ruhig.
»Sie sind die Schnitter«, jammerte Jachen und war fast außer sich vor Angst. »Sie töten alles und jeden! Die Königin des Verfalls hält nicht inne, um zu sehen, ob ihre Opfer an diesem Morgen zu ihr gebetet haben.«
Isak trat auf ihn zu, Eolis erhoben und in ein bösartig gleißendes Licht gehüllt, das von prasselnden Fäden aus reiner Magie ausging, die vom Griff bis zur Spitze der Klinge tanzten. »Haltet stand«, wiederholte er und konnte die entsetzten Schreie kaum übertönen, die überall um ihn herum erklangen. »Wenn sie einen der meinen nehmen wollen, müssen sie zuerst mich niederstrecken.«
»Ihr wollt die Schnitter bekämpfen?«
Isak spürte die altvertraute Wut in sich aufsteigen. »Ich werde ganz sicher nicht untätig zusehen, wenn sie sich gegen uns wenden. Sie werden Ehrfurcht vor meinen Schädeln haben, auch wenn sie Aspekte Tods sind, und wenn nicht, werde ich sie ihnen rasch beibringen.«
Die Menschenmenge geriet in Aufruhr. Einige versuchten noch immer anzugreifen, von ihrer Raserei geblendet, andere wollten vom Tempelplatz fliehen, aber die meisten standen einfach da und starrten die Aspekte an.
Isak wurde von Ehrfurcht erfasst und konnte nicht anders, als selbst zu starren. Wie Dämonen in einem Weidenfeld schnitten Tods Aspekte rasch eine blutige Schneise in die verbliebenen Bürger Screes. Der Soldat und der Henker hackten und schnitten in stiller, grimmiger Entschlossenheit. Der Brennende Mann und die Königin des Verfalls töteten allein durch die Berührung ihrer langen, knochigen Finger. Der Große Wolf sprang hin und her, den Rücken merkwürdig gekrümmt, eher wie ein Schakal und
ohne die Eleganz eines echten Wolfes. Trotz des Tumults konnte Isak sein aufgeregtes Schnauben hören, während er die Fliehenden verfolgte.
Die Luft füllte sich mit Kreischen, Rufen, Weinen, Klagen. Und dann erklang, kaum hörbar, ein hallendes Gelächter. Erst dachte Isak, es käme aus dem Tempel, als würde sich Tod von seiner schlechtesten Seite zeigen. Aber jeder wusste, dass Tod gleichgültig war. Es spielte keine Freude hinein, es ging nur um den Akt selbst.
Isak schalt sich dafür, dass er sich ablenken ließ, und wandte sich wieder dem Gemetzel zu. Binnen Minuten hatten die Schnitter mehr Bürger getötet als seine Männer den ganzen Abend über. Aber dieses von Göttern herbeigeführte Chaos war noch weniger eine Schlacht als der Kampf zuvor. Dies war kein verzweifeltes Ringen ums Überleben, es war nicht die grimmige Wiederholung von Zuschlagen und
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