Sturmbote
sich dem Mann zu, der weit zu seiner Rechten saß. »Um Lord der Farlan sein zu können, muss ein Krieger unsere Stärke aufrechterhalten. Werdet Ihr diesem Mann in die Schlacht folgen?«
»Das werde ich«, lautete die ruppige Antwort. »Er hat unser Heer angeführt und Feuer auf die Feinde unseres Stammes regnen lassen. Ich werde ihm folgen.«
Wie die meisten Kaplane war Mochyd ein großer und starker Mann gewesen. Die Zeit und ein hartes Leben – und nicht die Magie, die den anderen Hohepriestern die Kraft gestohlen hatte – hatten ihn altern lassen. Trotz der weißen Haare und der Falten steckt noch Kraft in diesen alten Knochen , dachte Isak. Er konnte nun nachvollziehen, warum sich in Lord Bahls Freundeskreis einige Kaplane befunden hatten. Sie waren meist ausgesprochen treu und ihrer Bestimmung so verschrieben, dass sie ihnen ins Blut überging. Das waren Männer, die Bahl hatte verstehen können.
»Corlyn«, rief der Kardinal nun. »Um Lord der Farlan zu werden, muss ein Mann fromm sein. Traut Ihr diesem Mann zu, dem Volk ein Vorbild zu sein?«
Der alte Mann mit den sanften Augen saß an Vecks linker Seite und schenkte Isak ein freundliches Lächeln. Dann sagte er ruhig: »Ja.«
Das war es. Der Corlyn sagte nichts mehr. Isak versuchte das Lächeln zu unterdrücken, das sich beim Gedanken daran auf seine Lippen schleichen wollte, dass er ein geistiger Führer sein könnte. Er hatte bei seiner Rückkehr nach Tilah erst daran
gedacht, den Tempel des Nartis zu besuchen, als Lesarl ihn daran erinnerte. Er konnte sich keine unpassendere Wahl vorstellen.
Und doch … und doch konnte er seinen Blick nicht vom Lächeln des Corlyn lösen. Der Kopf des priesterlichen Zweigs des Kultes, ein Mann, den er nie zuvor gesehen hatte, bat um nichts. Tila hatte gesagt, der Corlyn werde Isak schon allein deshalb unterstützen, weil er keine eigenen Pläne hatte, die es zu fördern galt und weil er die anderen Mitglieder der Synode gern ärgerte, die ihn genau dafür verachteten. Er war wirklich ein einfacher Diener seines Gottes, der das Volk nur in seinem Glauben bestärken wollte und die Macht ablehnte, die mit der Ernennung zum Hohepriester einherging.
Eine helfende Hand, die ihm den rechten Weg weisen konnte. Wenn der alte Mann genug Gottvertrauen besaß, um einem jugendlichen Taugenichts dies zuzutrauen, hatte er dann nicht vielleicht auch recht damit? Isak dachte darüber nach, als ein schiefes, unangenehmes Lächeln über Kardinal Vecks Lippen zuckte. Isaks Instinkte erwachten zum Leben und sein Herz schlug schneller. Er musterte den Kardinal genauer: sauber gestutzter Bart, Ringe an seinen Fingern, zwei in Gold eingefasste Diamanten, ein breites Silberband mit dem eingravierten Zeichen des Kardinals und ein Feueredelstein, der von Saphiren umringt war. Der Kardinal leckte sich über die Lippen, seine dünnen Augenbrauen zuckten. Sie waren das letzte Zeichen, dass der Kardinal früher einmal dunkles Haar gehabt hatte. Sogar das lange Haar, das aus dem Muttermal auf seiner rechten Wange wuchs, war weiß.
»Nun, mein Lord. Man hat uns eben Eurer Stärke und Eurer Tugendhaftigkeit versichert. Jetzt liegt es bei uns zu entscheiden, ob Ihr auch ein ebenso guter Herrscher sein werdet, wie Ihr ein guter Mensch seid. Die Anforderungen dieses … Postens gehen über die Stärke im Arm eines Anführers hinaus.«
Isak erwiderte den Blick des Kardinals gelassen. Vecks Worte wichen vom Ritual ab, aber damit hatte er gerechnet. Aus der Richtung des Hochkaplans klang grollender Tadel, doch keiner der beiden Männer beachtete es, denn niemand wollte den Blick zuerst abwenden.
»Während der Herrschaft Lord Bahls gab es viele Veränderungen«, fuhr Veck fort. »Durch seine Hand wurde die Stärke unserer Nation wiederhergestellt, daran besteht kein Zweifel. Aber es wird immer auch Veränderungen zum Schlechteren geben. Das wollen wir Lord Bahl natürlich nicht vorwerfen, aber die Synode ist der Meinung, dass einige Gestalten, der Haushofmeister zuvörderst, Absichten verfolgen, die den Einfluss der Götter in unserer großartigen Nation geschmälert haben.«
»Wenn Ihr Haushofmeister Lesarl etwas vorwerfen wollt, so sollte dies in einer formelleren – öffentlicheren – Form geschehen, finde ich.« Isaks Stimme klang sanft und ruhig, ohne das geringste Zeichen von Verärgerung. Sollten sie ruhig glauben, er sei bereit, den Mann zu opfern. Vielleicht schenkten sie ja den Gerüchten Glauben, dass er Lesarl nicht mochte.
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