Sturmbote
In Wirklichkeit zählte Isak den Haushofmeister zwar nicht zu seinen Freunden, war sich aber sicher, dass der Haushofmeister für das Wohl der Farlan unbezahlbar war. Sollten andere der Meinung sein, er würde seinen Gefühlen den Vorrang geben, so war ihm das nur recht. Deswegen brach ihm kein Zacken aus der Krone und darüber hinaus führte es sie auf eine falsche Fährte. Lesarl war sich seiner Bedeutung für die Nation ebenso bewusst wie Isak.
»Nichts so Schwerwiegendes, mein Lord. Die Synode möchte nur ihrer Besorgnis Ausdruck verleihen, dass die Regierung zu säkular wird, und dass wir uns also stärker von den Göttern leiten lassen sollten.«
»Und habt Ihr einen Vorschlag dazu, den ich bedenken sollte?« Übelkeit stieg in Isak auf. Diese Männer dachten nur an
ihren eigenen Vorteil. So tief waren sie gesunken, dass sie ihre Besitztümer mit anderen verglichen und darüber stritten. Waren sie jemals einem höheren Zweck verpflichtet gewesen als ihrem eigenen, oder war dies schon immer das Ziel ihres Lebenswerks gewesen?
»Wir haben einige Vorschläge zu machen, ja.«
»Bitte, tragt sie vor.«
Seine Offenheit verunsicherte den Kardinal für einen Augenblick. Isak erinnerte sich an Tilas Worte: Werde nicht wütend, denn dann machst du Fehler. Isak verscheuchte diesen aus seinem Geist heraufsteigenden Tadel verärgert, biss sich aber auf die Lippe und spannte den Bauch an, um den aufkochenden Ärger aufzufangen. Dabei ballte er unwillkürlich die Faust, doch als er sie wieder öffnete, verschwanden die düsteren Wolken.
»Erstens: Die Behandlung heiliger Tiere«, setzte Veck an und bemerkte Isaks inneren Aufruhr gar nicht. »Die Bär- und Wolfshetze ist in einigen Gegenden mittlerweile an der Tagesordnung. Kampfschlangen erzielen Preise von bis zu fünfzig Silbermünzen. All dies stellt eine immense Schmähung der Götter dar – es muss unterbunden werden.«
Isak lächelte in sich hinein. Man fing mit den Kleinigkeiten an, um ihn in Sicherheit zu wiegen.
»Soweit ich weiß, gibt es nur eine Schlangenart, die man zum Kämpfen bringen kann, nämlich die Eiskobra. Wenn Ihr Eure Schriften befragt, so werdet Ihr herausfinden, dass die Eiskobra nicht heilig ist – sie ist sogar für das Gegenteil bekannt. Bei uns gibt es keine Schlangen, die miteinander kämpfen würden. Ein Otter würde sich eher zusammenrollen als kämpfen.«
»Kampfschlangen werden aus anderen Ländern hergebracht.«
»Ich nehme Euren Punkt zur Kenntnis. Bitte fahrt nun fort.«
»Jene Gruppe, die sich selbst die ›Bruderschaft der heiligen Lehre‹ nennt, war in der letzten Zeit umtriebig, und Ihr, mein
Lord, habt Euch mit ihnen getroffen. Diese Bruderschaft, mein Lord, wurde aber nicht durch den Kult genehmigt. Sie sind nichts anderes als wilde Söldner. Ihre Geheimnisse werden mit Gewalt geschützt, sogar vor der wahren Obrigkeit.«
»Und mit der wahren Obrigkeit meint Ihr Euch? Sie halfen mir bei einem Angriff auf mein Leben. Ich glaube nicht, dass man dies als wildes Verhalten bezeichnen kann. Eher als die Pflicht eines aufrechten Untertanen …?«
»Dass in Saroc einige Hundert für den Krieg bereitstanden, kann man hingegen wohl kaum als treue Pflichterfüllung betrachten«, murrte Kardinal Veck.
»Mein Lord«, mischte sich Kardinal Certinse ein. »Man teilte mir mit, dass eine Kompanie Schwarzer Mönche noch immer das Heim meiner Vorväter heimsucht und dort stiehlt und Verhaftungen vornimmt, wie es ihnen beliebt.«
Isak lehnte sich vor: eine schwer im Zaum gehaltene Wut blitzte in den weißen Augen. »Wollt Ihr tatsächlich mit mir über die Pflichten treuer Untertanen streiten?«, knurrte er. »Nicht nur die Bruderschaft hatte an diesem Tag Soldaten in Saroc, habt Ihr das Euren Berichten nicht entnehmen können? Sie befinden sich in Eurem Familiensitz, Kardinal Certinse, weil sich eine Reihe Eurer Verwandten als Verräter herausgestellt hat und die Bruderschaft jene eskortiert, die ich damit beauftragt habe, die anderen Beteiligten zu ermitteln. Dagegen werdet Ihr doch keine Einwände haben? Immerhin ist es ein weiterer Kardinal, den ich mit den Untersuchungen betraut habe.«
»Disten?«, stieß Kardinal Certinse hervor. »Der Mann ist ein Irrer, ein Monster mit Wahnvorstellungen. Sein Hass auf meine Familie ist wohlbekannt. Er ist eine Schande für sein Amt. Seine Ernennung war ein Fehler.«
Isak atmete tief durch, fest entschlossen, die Beherrschung nicht zu verlieren. Auf der Stirn des Kardinals zeigten
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