Sturmflut: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)
plötzlich stutzte sie und blätterte eine Seite zurück. Irgendwo war ihr Blick hängen geblieben. Sie meinte, den Namen Fenja Sangaard gelesen zu haben. Sie suchte die Seite mit den Anzeigen ab. Als sie endlich fündig wurde, hielt sie schockiert den Atem an.
Sie überlegte, ob es eine Möglichkeit gab, Fenja die Zeitung vorzuenthalten, aber sie wusste, dass das nicht möglich war. Selbst wenn Fenja es nicht selbst las, würde es sicher nicht lange dauern, bis ein Kunde sie darauf ansprechen würde, und das war wahrscheinlich noch viel schlimmer.
Suna seufzte. Wie sie es auch drehte und wendete, es gab keine andere Möglichkeit: Es kam eine unangenehme Aufgabe auf sie zu.
*
Um halb sieben sah Suna vom Küchenfenster aus, dass in Fenjas Wohnung das Licht anging. Eine knappe Stunde später schnappte sie sich die Schlüssel und ihre Jacke und ging hinüber zum Hynsteblom. Obwohl sie von der Aktion mit der Kamera noch den Schlüssel der Ladentür in ihrer Tasche hatte, schloss sie nicht auf, sondern drückte auf die Klingel von Fenjas Privatwohnung. Sie wollte ihre Klientin nicht unnötig erschrecken, indem sie plötzlich an ihrer Wohnungstür auftauchte.
Es dauerte nicht lange, bis Fenja auf der Treppe nach unten erschien. Mit einem freudigen Lächeln kam sie auf Suna zu und schloss die Tür auf.
»Du bist aber früh dran heute«, sagte sie zur Begrüßung. »Komm doch rein. Ich habe gerade den Kaffee fertig. Du magst doch sicherlich eine Tasse?«
»Oh danke, aber lieber nicht«, winkte Suna grinsend ab. »Ich hatte heute Morgen schon zwei Tassen. Noch eine mehr, und ich tanze nachher für deine Kunden Hula.«
Am Abend zuvor, nach dem dritten oder vierten Glas Wein, hatten die beiden und Carolin beschlossen, vom doch recht förmlichen Siezen zum etwas persönlicheren »Du« überzugehen. Wenn sie die nächsten Tage so viel Zeit zusammen verbrachten, erschien ihnen das angenehmer.
Dabei hatte Suna wieder den Eindruck gehabt, dass Carolin mit ihrer Anwesenheit überhaupt nicht einverstanden war. Nur zögerlich hatte sie angefangen, Suna beim Vornamen zu nennen. Der Privatdetektivin war es so vorgekommen, als hätte Carolin das Gefühl gehabt, sie dadurch näher an sich heranlassen zu müssen. Aber vielleicht täuschte das auch.
Fenja lachte. »Hula? Keine schlechte Idee. Das wäre dann bestimmt die Hauptattraktion der Insel. Vielleicht sollten wir das wirklich mal ausprobieren.« Als sie Sunas Blick sah, wurde sie aber sofort wieder ernst. »Ist alles in Ordnung?«, erkundigte sie sich zaghaft.
»Nicht wirklich.« Suna schluckte schwer. »Ich habe mir vorhin deine Zeitung mitgenommen, und da habe ich etwas entdeckt, was du unbedingt sehen solltest.«
Sie legte die Zeitung auf den Verkaufstresen und blätterte an die Stelle, die sie vorher so schockiert hatte. Mit dem Zeigefinger tippte sie auf eine Anzeige am linken unteren Rand der Seite, die mit einem doppelten schwarzen Strich umrahmt war. Der Text lautete:
Viel zu jung!
Wir trauern um unsere liebe Freundin
Fenja Sangaard,
die plötzlich und unerwartet aus dem Leben gerissen wurde.
Wir werden dich niemals vergessen!
Deine Freunde
Daneben war als Todesdatum der 30. November angegeben, der Tag, an dem Mark Sennemann gestorben war.
Suna beobachtete, wie ihre Auftraggeberin leichenblass wurde, als sie die wenigen Zeilen las. Mit den Händen suchte sie unsicher am Tresen Halt. Anscheinend ging sie die Worte immer wieder durch, denn es dauerte eine ganze Weile, bis sie mit vor Schreck weit aufgerissenen Augen aufblickte.
»Wer – wer macht denn so was?«, stammelte sie fassungslos.
Suna presste entschlossen die Lippen aufeinander. »Ich denke, das sollten wir unbedingt herausfinden. Irgendjemand treibt hier ein ganz mieses Spiel mit dir, und dagegen werden wir etwas unternehmen, das verspreche ich dir.«
Fenja nickte geistesabwesend. Ihr Blick huschte immer wieder zu der Anzeige zurück, als würde sie ihn magisch anziehen.
Suna wurde durch Carolin abgelenkt, die in diesem Moment die Ladentür aufschloss.
»Ihr habt es schon gesehen«, stellte sie mit mühsamer Beherrschung in der Stimme fest, als sie Suna und Fenja über der aufgeschlagenen Zeitung sah. Sie bebte vor Wut. »Ich habe es echt nicht geglaubt, als ich heute Morgen die Anzeige gelesen habe. Ich frage mich, was für ein niederträchtiges Schwein dahintersteckt. So eine verdammte Unverschämtheit! Ich könnte den Kerl umbringen!«
»Schon gut.« Fenja legte ihrer Freundin beruhigend
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