Sturmflut: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)
die Hand auf den Arm und versuchte zu lächeln. Der Zorn ihrer Freundin schien ihr geholfen haben, ihre Fassung wiederzugewinnen. »So schlimm ist das nicht, ich komme damit klar.«
»Nein.« Diesmal war es Suna, die energisch widersprach. »Ich finde, Carolin hat recht. Das geht eindeutig zu weit. Wenn es dir recht ist, versuche ich heute als Erstes herauszufinden, wer die Anzeige aufgegeben hat. Telefonisch wird sich da nicht viel machen lassen. Am besten fahre ich gleich nachher zum Sylter Tageblatt und spreche mit jemandem aus der entsprechenden Abteilung.«
Als Fenja zaghaft nickte, blätterte Suna zum Impressum der Zeitung vor.
»So ein Mist«, rutschte es ihr heraus, »die sitzen auf dem Festland, in Flensburg. Das heißt, ich werde eine ganze Weile unterwegs sein.«
*
Tatsächlich war es schon beinahe elf Uhr, als Suna endlich die ganz in Chrom und Glas gehaltene Schalterhalle des Zeitungsverlags in Flensburg betrat.
Da sie nicht wieder mit dem ziemlich teuren Autozug fahren und die Spesenrechnung für Fenja in die Höhe treiben wollte, hatte sie beschlossen, auf ihren Wagen zu verzichten und stattdessen einen ganz normalen Zug zu nehmen. Schon fünf Minuten nach der Abfahrt in Westerland hatte sie diese Entscheidung allerdings bitter bereut, da ihre Sitznachbarin, eine auf den ersten Blick sehr nette ältere Dame, sie als Gesprächspartnerin auserkoren hatte. Während der gesamten Fahrt nach Flensburg hatte sie von ihren Enkelkindern geschwärmt, Fotos vorgezeigt und selbst gemalte Bildchen vorgeführt. Zum Glück war es Suna gelungen, nach einigen Minuten einfach abzuschalten und den monotonen Singsang auszublenden. Ein in regelmäßigen Abständen angebrachtes zustimmendes Brummen hatte ausgereicht, die Frau bei Laune zu halten, während Suna ganz ihren Gedanken nachhängen konnte.
Dabei war ihr eingefallen, dass sie Fenja noch gar nicht nach den seltsamen Umständen von Marks Beerdigung gefragt hatte, die nicht seine Familie, sondern die Gemeinde organisiert hatte. Sie beschloss, das am Abend nachzuholen. Aber zuerst musste sie etwas über die Todesanzeige herausfinden.
Sie sah sich in der Schalterhalle um. Der Zeitungsverlag hatte neben dem Sylter Tageblatt noch einige andere Lokalzeitungen im Programm. Dabei war der überregionale Teil immer gleich, für die regionalen Bereiche gab es jeweils eigene Redaktionen. Die Anzeigen schienen auch zentral verwaltet zu werden.
Hinter dem hypermodernen Tresen, über dem ein Schild die Annahme von Anzeigen verkündete, saß eine schmächtige Rothaarige, starrte angestrengt auf ihren Monitor und kaute auf einem schon recht unansehnlichen Bleistift herum. Ein Messingschildchen an ihrer Bluse wies sie als Katja Kafulke aus.
»Moin«, grüßte Suna, als sie an den Schalter herantrat. Dabei setzte sie ihr gewinnendstes Lächeln auf. Die Rothaarige blickte auf, sagte aber nichts. Immerhin gelang es ihr, Sunas Lächeln ansatzweise zu erwidern. Suna unterdrückte ein Seufzen. Das würde keine leichte Aufgabe werden.
Sie legte die aktuelle Zeitung, die sie mitgebracht hatte, vor sich auf die Tischplatte und schlug die Seite mit den Todesanzeigen auf. Dann drehte sie die Zeitung so, dass die andere sie mühelos lesen konnte. Mit dem Finger tippte sie auf die Todesanzeige mit Fenjas Namen.
»Ich bin wegen dieser Anzeige hier. Ich muss unbedingt wissen, wer sie aufgegeben hat. Es ist wirklich wichtig.«
Sofort verdüsterte sich die Miene der Rothaarigen. »Das geht nicht. Ich darf keine Daten herausgeben. Sie wissen schon, Datenschutz und so.«
»Ich weiß, dass so etwas normalerweise nicht üblich ist. Aber die Frau, die angeblich gestorben sein soll, ist meine Freundin. Sie ist außerordentlich lebendig und nicht gerade begeistert über die Anzeige. Deshalb möchte sie natürlich wissen, wer für diesen üblen Scherz verantwortlich ist. Dafür haben Sie doch bestimmt Verständnis.«
Suna hatte versucht, noch ein bisschen mehr Charme in ihre Stimme zu legen. Leider schien er bei der Frau hinter dem Tresen aber nicht anzukommen.
»Ich darf wirklich nicht«, wiederholte sie und zog einen Schmollmund wie ein kleines Kind.
Suna hatte inzwischen Schwierigkeiten, die Ruhe zu bewahren. Sie holte einmal tief Luft und tippte mit den Fingern ungeduldig auf den Tresen. »Hören Sie, wir können das Ganze natürlich auch juristisch klären, und ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob dabei nicht auch die Zeitung Probleme bekommt. Schließlich hat sie ihre
Weitere Kostenlose Bücher