Sturmflut: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)
ziemlich verwöhnt war, aber sie konnte überhaupt nicht nachvollziehen, wie man ein dermaßen schönes Stückchen Erde mit solchen Schandflecken zupflastern konnte.
Im Augenblick kreisten ihre Gedanken aber vor allem um das Aufeinandertreffen mit Marks Pflegebruder Jonas, das ihnen direkt bevorstand. »Wollen wir?«, fragte sie ihre Auftraggeberin.
Fenja sah stur geradeaus und presste die Lippen aufeinander. Dann nickte sie. »Okay. Auf in die Höhle des Löwen. Bringen wir es hinter uns«, flüsterte sie.
An der Klingelanlage des Apartmentkomplexes waren keine Namen, sondern nur die Nummern der einzelnen Ferienwohnungen angegeben.
»Weißt du, welche Wohnung es ist?«, erkundigte sich Suna.
Anstatt eine Antwort zu geben, drückte Fenja auf den Klingelknopf, der mit Apartment 3-2 beschriftet war. Es dauerte nicht lange, bis ein lautes Knistern aus der Sprechanlage ertönte.
»Ja?«, fragte eine kaum zu verstehende, verzerrte Stimme.
»Pizza-Taxi«, rief Suna, bevor Fenja etwas sagen konnte. »Wir wollen ihn ja nicht vorwarnen«, fügte sie so leise hinzu, dass es außer Fenja niemand hören konnte.
»Ich habe nichts bestellt«, drang wieder die verzerrte Stimme aus dem Lautsprecher.
Suna grinste. »Ich habe aber eine Pizza für Sie«, sagte sie schnell und nicht allzu laut, sodass es oben in der Wohnung wahrscheinlich nur mit Mühe zu verstehen war.
Das Knistern der Sprechanlage setzte aus, dafür ertönte der Summer der Tür. Sofort drückte Suna gegen den Knauf und schob sie auf.
Entweder Jonas hatte keine Lust mehr, sich durch die altersschwache Sprechanlage mit der Pizzabotin zu streiten und wollte sie direkt an der Wohnungstür abfertigen, oder er hatte Hunger und wollte die günstige Gelegenheit nutzen, dachte Suna amüsiert.
Sie lief die ausgetretenen Steinstufen in die dritte Etage hoch, dicht gefolgt von Fenja. Die mit 3-2 beschriftete Wohnungstür stand bereits offen. Jonas erwartete sie in der Tür. Suna hatte ihn zwar noch nicht persönlich kennengelernt, da sie im Hinterzimmer gewesen war, als er bei der Wiedereröffnung des Hynsteblom aufgetaucht war. Dennoch erkannte sie ihn anhand der Fotos, die sie von ihm gesehen hatte, sofort. Ein wirklich gut aussehender Typ, dachte sie insgeheim. Sie konnte sich gut vorstellen, dass er vor allem Frauen sehr gut um den Finger wickeln konnte mit seinen strahlend grünen Augen und den dichten, hellbraunen Haaren.
Er blickte ihr mit einer eindeutig genervten Miene entgegen. Als er Fenja erkannte, spiegelte sich Verwunderung, vielleicht sogar Erschrecken auf seinem Gesicht, doch er fasste sich sehr schnell wieder und verzog seinen Mund zu einem Lächeln. Es wäre charmant gewesen, wenn es bis zu seinen Augen gereicht hätte. Doch Suna entging nicht, dass sein Blick kalt blieb.
»Fenja, was für eine Überraschung«, stieß er mit geheuchelter Freundlichkeit hervor. »Mit dir hatte ich jetzt überhaupt nicht gerechnet. Ich hatte ja gar keine Ahnung, dass du weißt, wo ich wohne.« Er blickte fragend zwischen den beiden Frauen hin und her, als erwartete er, dass Fenja ihm ihre Begleiterin vorstellte.
Diese sagte aber kein Wort, sondern starrte ihn nur an.
»Wir wissen so einiges, Jeremias«, gab Suna an ihrer Stelle zurück. »Oder sollen wir dich lieber Jonas nennen?«
Augenblicklich erstarb sein Lächeln. Er kniff die Augen zusammen, trat einen Schritt zurück und versuchte die Tür zuzuknallen. Doch Suna war etwas schneller als er. Sie setzte einen Fuß zwischen Tür und Schwelle und fing die Tür damit ab. Glücklicherweise trug sie derbe Winterstiefel, von denen die Wucht des Aufpralls etwas abgemildert wurde.
Ohne Schuhe hätte ich jetzt meine Fußknochen einzeln aufsammeln können, dachte sie wütend, während sie die Tür wieder aufzudrücken versuchte. Doch Jonas hielt von innen dagegen, sodass sie keine Chance hatte.
»Hör auf mit dem Kinderkram. Entweder du lässt uns jetzt rein und redest mit uns, oder du hast eine deftige Anzeige am Hals«, drohte sie leise.
Die Warnung verfehlte ihre Wirkung nicht. Einen Moment zögerte Jonas, gab dann aber nach und ließ die beiden Frauen eintreten.
»Wenn es denn sein muss«, brummte er widerwillig.
»Es muss sein«, bestätigte Suna mit fester Stimme. Sie wollte Jonas von Anfang an klarmachen, dass sie und Fenja sich nicht einschüchtern oder mit Ausreden abspeisen lassen würden. Sie wies auf die Sitzgruppe aus zwei kleinen Sofas und einem niedrigen Tisch, die den größten Teil des Wohnraums
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