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Sturmflut mit Schokoladenengel

Sturmflut mit Schokoladenengel

Titel: Sturmflut mit Schokoladenengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dora Tauer
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lockere Bekanntschaft. Das hatte ich von Anfang an gespürt. Jens Kanter war nicht der Erste seit meiner Scheidung vor fünf Jahren, der mir den Hof machte.
    Ich stellte das Paket auf dem EKG-Gerät ab und widmete mich meinem Patienten. Der Mann klagte über Schlaflosigkeit, innere Unruhe und Herzklopfen; ich weiß es noch genau. Ich kontrollierte Blutdruck und Puls, empfahl ihm Baldrian und bestellte ihn zur Blutabnahme ein, weil ich seine Schilddrüse in Verdacht hatte, des Guten zu viel zu tun.
    Nachdem der Mann das Behandlungszimmer verlassen hatte, öffnete ich das Paket: Eine weiße Orchidee!
    Mir verschlug es zuerst einmal den Atem – die Pflanze war zu schön, um wahr zu sein! Dabei lag eine noble Kunstkarte mit einer Einladung ins Theater und zum Essen am kommenden Wochenende. Natürlich im teuersten Restaurant der Stadt.
    „Typisch Kanter“, murmelte ich kopfschüttelnd.
    Seufzend stellte ich die herrliche Pflanze auf meinen Schreibtisch. Sollte ich annehmen? Ich machte mir nichts vor: Spätestens am Ende des Abends würde Jens mir genau den Antrag unterbreiten, mit dem ich schon lange rechnete.
    Ein geistvoller Mann, Jens Kanter, charmant und erfolgreich. Neun Jahre älter als ich. Na und? Ich mochte ihn, wirklich, ich mochte ihn sogar sehr.
    Doch jetzt schien es ernst zu werden: Jens wollte Nägel mit Köpfen machen. Was tun?
    Ich überlegte. Es war ein Dienstag, bis übermorgen sollte ich ihm Bescheid sagen. Gütiger Himmel! Was sollte ich bloß tun? Ich lauschte nach innen, nach meinem Herzen. Eine Methode, auf die meine Schwester Linda schwört.
    Bevor mein Herz mir Auskunft geben konnte, stieß Frau Busch die Tür auf. „Ein Notfall, Frau Doktor, schnell – Wespenstich mit allergischer Reaktion ...!“

    *

    In dieser Nacht wollte Tina um jeden Preis bei ihrer gleichaltrigen Cousine übernachten. Dort hockten die Mädchen meistens vor der Glotze, was mir nicht gefiel. Doch ich hatte keinen Nerv, mit meiner Tochter zu diskutieren, also fuhr ich mit ihr zuerst zu meinem Diabetespatienten und danach direkt zu meiner Schwester Linda.
    Die Mädchen spielten im Kinderzimmer, zogen dann die Tür zu, um ungestört den Fernseher einschalten zu können, und ich erzählte meiner jüngeren Schwester von Jens Kanters Einladung.
    „Er wird mir einen Antrag machen, ich rechne eigentlich schon länger damit.“
    „Und was willst du ihm antworten?“ Linda und ich standen uns näher, als Schwestern es gewöhnlich tun. Schon immer: Linda war meine beste Freundin. Ohne sie hätte ich die schwere Zeit vor und nach der Scheidung wahrscheinlich nicht überlebt.
    „Tja – was werde ich ihm antworten ...“ Ich dachte laut nach. „Jens ist ein toller Mann, weißt du? Gebildet, eloquent, erfolgreich, wohlhabend ...“
    „Mit einem Wort: Eine gute Partie!“, unterbrach Linda lachend. „Typisch meine Schwester!“ Sie schüttelte den Kopf. „’Bloß nicht die Kontrolle verlieren, bloß nichts Unvernünftiges tun!’“ Sie legte ihre Hand auf meinen Arm und sah mir tief in die Augen. „Schwesterchen! Ich wollte eigentlich nur wissen, ob du ihn liebst.“
    „Ja, doch ...“ Lindas direkte Art brachte mich aus dem Konzept. „Ich mag ihn wirklich sehr. Manchmal glaubte ich schon, in ihn verliebt zu sein. Aber ist das denn so wichtig? Wir verstehen uns, er ist ein wunderbarer Mensch und wir passen gut zusammen.“
    „Also – mir wäre das entschieden zu wenig.“ Linda machte kein Geheimnis aus ihrer Skepsis, macht sie nie. „Aber du musst natürlich selbst wissen, worauf es für dich ankommt, Frau Doktor.“ Übergangslos wurde sie ernst; auch solche Wechsel beherrscht sie perfekt. „Doch wenn du meinen Rat hören willst, Greta – lass dein Herz sprechen.“
    „Mein ‚Herz’!“ Ich sehe mich heute noch lachend in Lindas Wohnzimmer stehen. „Das hat mich schon einmal getäuscht!“

    *

    Von meinem kleinen Praxislabor aus hörte ich am nächsten Nachmittag meine Tochter kichern. „Hallo, Schokoladenengel!“
    Ich spähte durch die offene Tür zur Rezeption hinaus: Derselbe Paketmann wie gestern! Obwohl er das Päckchen längst an Frau Busch übergeben hatte, stand er noch immer am Rezeptionstresen und scherzte mit Tina.
    Seltsamer Mensch – hing hier herum und hielt mein Mädchen von den Hausaufgaben ab. Hatten sie es sonst nicht immer brandeilig, diese Paketboten in ihren Kleintransportern?
    Ich verließ das Labor, setzte eine missbilligende Miene auf. Sofort hefteten seine lachenden Augen sich an

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