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Sturmjäger von Aradon - Magierlicht - Nuyen, J: Sturmjäger von Aradon - Magierlicht

Titel: Sturmjäger von Aradon - Magierlicht - Nuyen, J: Sturmjäger von Aradon - Magierlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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einem einzigen, hohen, langen Schrei, der die Wogen des Meeres aufpeitschte, der die Gebirge zum Einsturz brachte, die Erde zerriss und das Blut der Tiefe überkochen ließ. Alles starb, doch Hel wandelte am Himmel, der Himmel war ihr Boden, und ihre Füße setzten weich in Wolken auf, die Mercurin für sie ausgebreitet hatte wie seinen Umhang in der Wüste. Er brachte den Tod, doch seine Stimme hielt sie. Sie durfte nicht zuhören, er war ein Dämon! Wenn sie ihn verstand, wie könnte sie dann noch die Welt verstehen?
    Aber als er zu ihr sprach, klang er nicht wie ein Dämon, nicht wie ihr Feind. Er sagte Dinge, die aus ihr selbst zu kommen schienen. Bei Dämmerung streif ich durch Gärten, um dich im Federblau zu sichten. Woher kannte sie diese Worte? Sie klangen nach früher, nach ihrer Kindheit. Es klang wie eine Ballade. Woher kannte er das? Doch zum Schutz vor meinen Blicken, willst du ein Nebelzelt errichten. Ein scheuer Vogel ist dein Herz! Holt keine Krumen, die am Tor ausliegen. Wird nur im Freien zu mir fliegen. Die Worte waren ihr so vertraut, doch sie kam nicht darauf, woher. Was waren das für Verse, die sie beide kannten, ein Druide aus dem Alten Reich und sie? Es war, als spräche er direkt zu ihr. Er war ihr so nah.
    Ist dieses Lied nicht schön, Hel? Ich habe eure Lieder studiert, um mich auf meine Aufgabe vorzubereiten. Aber ihre Schönheit macht mir Angst, so wie du mir Angst machst. Wie kann eine Welt, die so schlecht ist, so Schönes hervorbringen? Ich habe die Schönheit nicht wahrhaben wollen, aber jetzt lässt sie mich immerzu an dich denken. Ich stelle mir vor, dass du diese Lieder singst und den Worten die Melodie gibst, die ich nicht kenne. Könnte ich nur an die Lügen deiner Welt glauben! Könnte ich an dich glauben … aber es geht nicht, ich darf nicht, es ist Schein und Trug, Aradon ist eine verdorbene Welt, du und die Lieder nichts als Sterne dieser verdorbenen Welt … Schweißgebadet und verwirrt wachte Hel auf.
    Sie setzten ihre Reise nach Norden fort, ohne länger als nötig zu rasten. Sie ritten bis in die tiefe Nacht hinein und brachen auf, sobald es dämmerte. Tage vergingen im Rhythmus von Reiten, Essen und Schlafen, ohne dass einer der Gefährten ein Wort sprach. Wenn sie am Feuer saßen, kam ihre Runde Hel so kümmerlich vor; sie waren nichts als ein Haufen Verirrter, zudem wirkte Berano immer abwesender. Bleich und stumm schien er sich zu den beiden Kameraden gesellen zu wollen, die sie in den Steingräbern zurückgelassen hatten.
    Mit der zweiten Sicht hielt Hel ununterbrochen Ausschau nach den Dämonen. Selbst im Schlaf durchleuchtete das Lebendige Land manchmal ihre faserigen Träume. Adern aus Licht zogen sich durch die Gebirge, flößten hier und da Leben ein. Bäume strichen mit anmutiger Trägheit umeinander, wenn kein Wind wehte, und tasteten sich mit zarten Zweigen ab, schlangen ihre Wurzeln um Felsbrocken; manche Hänge verschoben sich wie die Panzer müder Riesenschildkröten und lösten klappernde Gerölllawinen aus, doch die meisten Bewegungen des Landes waren so langsam, so schlaftrunken, dass den Gefährten beim Durchreiten des Gebiets kaum Gefahr drohte.
    Die einzige Gefahr waren die Dämonen, wobei sie nicht sicher war, ob Karat sich seiner Kräfte wirklich schon so bewusst war, dass er sie angreifen konnte. In den Tagen nach dem Überfall versuchte Hel zu erspüren, wohin Saraide gegangen war. Sie hatte schwere Wunden davongetragen; wenn sie nicht daran gestorben war, musste sie in der Nähe sein, verletzt, und vielleicht bereitete sie schon ihre Rache vor.
    Nicht nur tagsüber, auch nachts suchte Hel nach Spuren von Saraide. Wie eine Blinde tastete sie sich durch den Wirbelsturm von Karats Gedanken, die sie durchfegten, und schlich an Mercurins seufzenden Augen vorbei. Saraide zeigte sich nicht. Warum? Weil sie noch kein Totenlicht in sich trug?
    Trotzdem glaubte Hel nicht an ihren Tod. Seit dem Überfall spürte sie etwas in sich – eine Hitze, allgegenwärtig, doch ungreifbar, sobald sie sich darauf konzentrierte. Zwar hatte sie Saraides Angriff besser als die anderen standgehalten, aber es fühlte sich an, als seien die geheimnisvollen Kräfte der Druidin in ihr geblieben; sie krochen wie Finger aus Licht durch einen Teil von ihr, der weder Körper war noch greifbar im Geist.
    Sie hätte Nova gern davon erzählt, doch es bot sich keine Gelegenheit. Während des Ritts war es unmöglich zu sprechen, ohne dass Harlem mithörte, und wenn sie rasteten,

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