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Sturmjahre

Sturmjahre

Titel: Sturmjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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wirklich leid.«
    Samantha bemühte sich, ihre Enttäuschung zu verbergen. Sie hatte sich sehr auf dieses Wiedersehen nach langer Zeit gefreut, aber die Louisa, die sie zu sehen erwartet hatte – das lebenslustige Mädchen, das sich darauf verstanden hatte, immer aus allem das Beste zu machen –, hatte sich nicht gezeigt. Gewiß, sie hatte sich über Samanthas Kommen offensichtlich gefreut, hatte sie so fest an sich gedrückt, daß Samantha beinahe die Luft weggeblieben war, aber nachdem sie eine Viertelstunde lang Erinnerungen ausgetauscht hatten, begann Louisa sich allem Anschein nach zu langweilen. Es war beinahe so, als wäre Samantha für sie nichts weiter als ein neues Spielzeug, das nach kurzer Zeit seinen Reiz verloren hatte. Jetzt lag sie verdrossen auf dem Sofa, und ihr Blick wanderte rastlos im Zimmer umher.
    Was ist denn los? hätte Samantha am liebsten gefragt, aber sie fürchtete, sie zu verletzen. »Wie geht es Luther?« fragte sie statt dessen.
    »Gut«, antwortete Louisa kurz.
    »Es ist doch sicher schön für euch, daß Mr. DeWinter ihn zum Teilhaber gemacht hat.«
    Louisa starrte geistesabwesend auf den verstaubten Farn, der vor dem Fenster stand. »Er ist nur noch in der Apotheke. Jetzt wollen sie anfangen, Eiskrem zu verkaufen. In der Erfrischungshalle.«
    Es mußte doch etwas geben, das Louisa interessierte! Wenn schon nicht ihr Mann, dann doch wenigstens das Kind, das im nächsten Monat kommen würde.
    »Habt ihr das Kinderzimmer fertig?«
    Louisa löste ihren Blick von der Pflanze am Fenster und sah Samantha dumpf und teilnahmslos an.
    »Das Kinderzimmer«, wiederholte Samantha. »Darf ich es mir einmal ansehen?«
    Mit einem Achselzucken richtete sich Louisa auf. Während Samantha ihr die Treppe hinauf folgte, fragte sie sich, ob die Schwangerschaft sich bei allen Frauen so auswirkte. Vielleicht machte einen das lange Warten so müde, daß man sich am Ende für nichts mehr interessierte. Sobald das Kind da war, würde Louisa zweifellos wieder die alte werden.
    {215} »Oh«, sagte Samantha und bedauerte, daß sie darum gebeten hatte, das Kinderzimmer sehen zu dürfen. Bis auf ein Kinderbett und ein paar Rollen Tapeten, die auf dem nackten Boden lagen, war es völlig leer. »Na ja, du hast ja noch Zeit.«
    Wieder sah Louisa sie mit diesem stumpfen, teilnahmslosen Blick an, und Samantha dachte, irgend etwas ist hier nicht in Ordnung. Bedrückt kehrte sie mit Louisa ins Wohnzimmer zurück. Als sie sich wieder gesetzt hatten, sagte sie allen Bedenken, Louisa zu nahe zu treten, zum Trotz: »Was quält dich, Louisa?«
    Zu ihrer Überraschung nahm Louisa ihr die Frage gar nicht übel, sondern reagierte zum erstenmal mit Lebendigkeit. »Ach, Samantha, ich werde noch wahnsinnig hier. Seit Monaten hocke ich im Haus und komm’ nicht raus. Es ist eine Gemeinheit, daß Frauen, die ein Kind erwarten, sich nicht in der Öffentlichkeit sehen lassen dürfen. Die Leute sind so was von scheinheilig! Kleine Babys finden sie entzückend, aber wehe, sie werden daran erinnert, woher sie kommen! Einerseits erwartet die Gesellschaft von uns Frauen, daß wir heiraten und Kinder bekommen, aber sobald eines unterwegs ist, tut alle Welt so, als müßte man sich zu Tode schämen, und man wird strikt ins Haus verbannt. Wenn ich auf die Straße ginge, würden die Leute mich angaffen und sofort wissen, was ich getan habe. Aber Luther hat’s doch auch getan! Nur sieht man’s ihm nicht an, und darum kann er kreuzfidel weiterhin auf der Straße herumspazieren. Ich finde, das ist eine ganz gemeine Ungerechtigkeit!«
    Aber es ist nicht nur die Schwangerschaft, dachte Samantha, die aus Louisas Worten und vor allem ihrem Ton noch etwas anderes herauszuhören glaubte. Erste Anzeichen dafür, daß etwas nicht stimmte, hatten sich schon in den Briefen gezeigt, die sie noch vor der Schwangerschaft geschrieben hatte. Louisas Kummer saß tiefer. Es war, als habe sie das Bedürfnis, sich mitzuteilen, könne aber nicht den richtigen Weg finden, es zu tun.
    Samantha, die ihr helfen wollte, fragte vorsichtig: »Hast du Schwierigkeiten im Ehebett?«
    Louisa senkte den Kopf und nickte. »Du hast ja keine Ahnung, wie es ist, Samantha. Du bist nicht verheiratet.«
    Samantha dachte an Joshua und dann, zu ihrer eigenen Überraschung, an Mark Rawlins. Sie hatte ihn seit jenem Abend auf der Lichtung nicht wiedergesehen. Er hatte ihr seine Adresse in Manhattan gegeben und sie eingeladen, ihn zu besuchen und Joshuas Instrumente abzuholen, doch

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