Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sturmjahre

Sturmjahre

Titel: Sturmjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
Vom Netzwerk:
Samantha hatte den Besuch immer wieder verschoben. In ihrem kleinen Zimmer, sagte sie sich, hatte sie sowieso keinen Platz, um die Instru {216} mente unterzubringen; außerdem brauchte sie sie im Augenblick nicht, sie lagen sicherer bei Mark Rawlins. Bisher hatte sie ein Zusammentreffen mit Mark tunlichst zu vermeiden gesucht. Sie hatte sich eingeredet, der Grund dafür sei, daß er sie an Joshua erinnerte; aber jetzt, in Louisas staubigem Salon, konnte sie die Wahrheit nicht mehr leugnen: Es waren die unerwünschten Gefühle, die er in ihr weckte …
    Louisa hob den Kopf und sah sie zaghaft an. »Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, Samantha. Aber ich glaubte, es würde rein und sauber sein. Die Hochzeitsnacht war schrecklich. Luther sagte dauernd, es wäre ganz richtig, so würde es gemacht, es wäre nichts dabei. Aber ich habe jedesmal geheult, wenn er es getan hat. Mich hat geekelt, Samantha. Aber er hörte nicht auf. Er sagte, es wäre ganz natürlich, daß ich keinen Spaß daran hätte. Nur die Männer hätten Spaß daran. Ich war so froh, als ich merkte, daß ich ein Kind erwartete! Da ließ Luther mich endlich in Ruhe.«
    Louisa sprach nicht die Wahrheit. In Wahrheit war es so gewesen, daß Luthers Zärtlichkeiten und seine Umarmung sie in der Hochzeitsnacht leidenschaftlich erregt hatten und daß sie tief entsetzt gewesen war, solche niederen Regungen bei sich zu entdecken. Sie war von sich selbst abgestoßen und nahm es Luther übel, daß er solche ekelhaften Gedanken und Wünsche in ihr geweckt hatte. Sie haßte sich dafür, daß sie ihn begehrte, vergoß verzweifelte Tränen über diese Entdeckung, sie war felsenfest überzeugt davon, eine absolut verworfene und mißratene Person zu sein. Doch mit dem Selbstekel konnte sie nicht leben; darum übertrug sie ihren ganzen Abscheu auf Luther. Er war schuld daran, daß sie sich diese widerwärtigen Wünsche und Begierden einbildete, obwohl sie ihrem wahren Wesen überhaupt nicht entsprachen. Nach einem Jahr hatte sie sich selbst davon überzeugt, daß ihr der körperliche Teil der Liebe niemals Spaß gemacht hatte, daß sie ihn vielmehr von Anfang an abstoßend gefunden hatte, wie sich das für eine anständige Frau gehörte.
    Samantha war bestürzt. Wie merkwürdig, daß derselbe Akt bei verschiedenen Menschen so unterschiedliche Reaktionen auslösen konnte. Louisa und Luther taten ihr leid.
    »Hast du Luther mal gesagt, wie dir zumute ist?«
    Louisa riß die Augen auf. »Ich soll mit ihm darüber reden? Samantha, wie kannst du nur!«
    »Aber vielleicht weiß Luther nicht, daß du es so schrecklich findest«, entgegnete Samantha. »Viele Frauen haben am Anfang Schwierigkeiten, aber dann gewöhnen sie sich daran und können es sogar genießen. Vielleicht glaubt Luther, daß du über deine Abneigung hinwegkommen {217} wirst. Louisa, du machst dich noch krank, wenn du das nicht mit ihm klärst.«
    »Ich kann darüber nicht mit Luther sprechen. Du bist der einzige Mensch auf der Welt, mit dem ich über so was reden kann, Samantha, weil du meine beste Freundin bist und außerdem Ärztin.«
    »Sprichst du mit deinem Arzt darüber?«
    »Ach, Dr. McMahan. Er behandelt mich wie ein kleines Kind. Wenn ich ihm erzähle, wie unwohl ich mich fühle, lacht er nur und tätschelt mir den Kopf. Er erklärt mir immer nur, ich müßte strahlen vor Glück und müßte mich wunderschön fühlen. Die Mutterschaft sei eine heilige Aufgabe. Aber schau mich doch mal an, Samantha! Schau dir diesen Körper an. Wenn Männer eine Schwangerschaft durchmachen müßten, würden sie bestimmt schnell aufhören, von Glück und Schönheit zu quasseln.«
    Samantha runzelte die Stirn. Was tat Louisa da? Eine schwangere Frau konnte ja wirklich schön sein, von einer inneren Schönheit strahlend. Es war beinahe so, als vernachlässige Louisa sich und das Haus absichtlich; als handle es sich dabei um einen vorsätzlichen Akt der Rebellion.
    »Samantha«, sagte Louisa plötzlich leise, »ich muß dir was sagen, was ich bis jetzt noch keinem Menschen gesagt habe. Ich habe eine schreckliche Wut auf das Baby. Es hat mich entstellt, und es hat mich zur Gefangenen gemacht. O Gott, Samantha, ich fühle mich grauenvoll. Ich will das Kind nicht haben. Es kommt mir vor wie ein Schmarotzer, der sich in meinen Körper eingeschlichen hat und mich langsam auffrißt. Wenn das Kind nicht wäre, könnte ich mich hübsch anziehen, ich könnte ausgehen, bummeln gehen.«
    »Aber dann geh doch aus, Louisa«, sagte

Weitere Kostenlose Bücher