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Sturmjahre

Sturmjahre

Titel: Sturmjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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haben nichts zu fürchten«, meinte Landon. »Sie haben nur Befehle ausgeführt.«
    Dr. Westons Gesicht hellte sich nur flüchtig auf. Das war es weniger, was ihm Sorgen machte. Er hatte Angst vor dem Moment, in dem Letitia MacPherson das Bewußtsein wiedererlangen und den Namen des Mannes nennen würde, der für die Schwangerschaft verantwortlich war. Dr. Weston glaubte nämlich, er sei der einzige gewesen, dessen Charme Letitia nicht hatte widerstehen können.
    »Wie geht es ihr?« fragte er.
    »Sie ist immer noch bewußtlos.«
    »Aber sie lebt. Gott sei Dank.« Er sah Samantha hoffnungsvoll an. »Die Familie wird bestimmt nichts unternehmen, wenn sie von Letitia erfährt, daß sie selbst die Erlaubnis zur Operation gegeben hat.«
    Samantha glaubte nicht, daß es ganz so einfach werden würde. Sie wußte, daß Janelles Zorn weniger der Ärztin Dr. Hargrave galt als vielmehr der Frau, die ihr den Mann abspenstig zu machen drohte, den sie unbedingt heiraten wollte.
    Dr. Princes Sekretär erschien an der Tür und rief Dr. Weston. Landon Fremont und Samantha warteten nervös. Schon nach wenigen Minuten kam Weston zurück.
    »Das ging aber schnell«, sagte Samantha. »Man hatte wohl nicht viele Fragen an Sie?«
    {271} »Sie haben mir überhaupt keine Fragen gestellt. Und jetzt sind sie weg. Es war ganz merkwürdig. Da saßen sie alle, Miss MacPherson, der ehrwürdige Hausarzt, zwei Anwälte und Dr. Prince. Ich hatte mich gerade gesetzt, als Miss MacPherson plötzlich laut schrie und in Ohnmacht fiel. Sie legten sie auf die Couch, und als sie wieder zu sich kam, erklärte sie, sie könne nicht mehr, und wollte unbedingt nach Hause gebracht werden.«
    »Haben Sie eine Ahnung, was die Ursache dieses plötzlichen Zusammenbruchs war?«
    »Ich kann nur Vermutungen anstellen. Als ich hereinkam, beugte sie sich gerade über Dr. Princes Schreibtisch und schaute in die Zeitung, die dort lag. Und da schrie sie plötzlich auf.«
    Landon nahm Westons Zeitung, die noch gefaltet auf dem Tisch lag, schlug sie auf und rief erschrocken: »Oh, mein Gott!«
    »Was ist denn?«
    »Ein Schiff ist gesunken.« Er breitete die Zeitung auf dem Tisch aus, so daß auch Samantha und Weston die fette Schlagzeile lesen konnten.
    »›Ozeanriese gesunken‹«, las Weston laut vor. »Es ist die
Excalibur
!« Er überflog den Artikel darunter. »… auf einen Eisberg aufgelaufen …«, murmelte er. »… die gesamte Besatzung und alle Passagiere ertrunken … keine Überlebenden –« Er riß plötzlich den Kopf in die Höhe. »Die
Excalibur
! War nicht Mark Rawlins –«
    Das Zimmer drehte sich um Samantha. Gedämpfte Stimmen drangen an ihr Ohr. Sie umklammerte den Tischrand, während das eisige Wasser des Atlantik über ihr zusammenschlug und sie verschlang. Mark ertrunken. Tot. Vorbei. Nie wieder …
    Arme umschlangen sie. Beißende Ammoniakdämpfe stiegen ihr in die Nase. Landon kniete neben ihr auf dem Boden und hielt ihr ein Fläschchen mit Riechsalz unter die Nase.
    Sie starrte ihm ins besorgte Gesicht und murmelte: »Er hat das Schiff verpaßt. Er lebt …«
    »Kommen Sie, Samantha«, sagte Landon und half ihr auf. »Sie brauchen jetzt erst einmal Ruhe. Sie haben die letzten zwölf Stunden unter starker Belastung gestanden. Kommen Sie, ich bringe Sie auf Ihr Zimmer.«
     
    Letitia MacPherson hielt am Leben fest. Fast rund um die Uhr saß Samantha an ihrem Bett, die grauen Augen auf das schlafende junge Gesicht gerichtet. Sie aß nur, wenn Mildred ihr ein Tablett brachte und sie praktisch zum Essen zwang.
    Alle warteten ab, ob Letitia MacPherson durchkommen würde. Nur Silas {272} Prince hatte einen ersten Schritt getan: Er hatte Samantha die schriftliche Entlassung übergeben. Sie gehörte nun nicht mehr zum Ärztestab des St. Brigid’s Krankenhauses. Dennoch blieb sie am Bett ihrer Patientin und gönnte sich nur ab und zu einige Stunden Schlaf in ihrem kleinen Zimmer.
    Doch das, was Samantha stumm und unzugänglich machte, war nicht die Sorge um ihre berufliche Zukunft. Es war der Schmerz um Mark und daß sie diesen Schmerz mit niemandem teilen konnte. Nach außen konnte sie nur Bedauern über den tragischen Tod eines Kollegen zeigen. Tatsächlich litt sie so sehr, daß sie oft das Gefühl hatte, mit ihm gestorben zu sein. Die schwache Hoffnung, er könnte das Boot verpaßt oder es könnte dem ersten Zeitungsbericht zum Trotz doch Überlebende bei der Katastrophe gegeben haben, ließ sich mit dem Verstreichen der Tage nicht

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