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Sturmjahre

Sturmjahre

Titel: Sturmjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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einen großen Vorsaal mit bunten Glasfenstern, goldgerahmten Spiegeln und Statuen, die im Schatten ausladender Farne und Palmen standen, in einen Salon, der an Opulenz und Luxus alles übertraf, was sie bisher gesehen hatte.
    Das Licht der Nachmittagssonne, das durch vier große Erkerfenster hereinströmte, fing sich in dem Kristall und blankem Silber, lag schimmernd auf polierten Tischplatten, die aus edelsten Hölzern eingelegt waren, und auf alten chinesischen Vasen, brachte die verschwenderischen Blumenarrangements zum Leuchten. Nicht Geschmack und Kultur hatten {288} die Einrichtung dieses bombastischen Raumes bestimmt, sondern einzig der Wille seiner Besitzer, ihren Reichtum zur Schau zu
     stellen.
    Hilary Gant, in raschelnder Seide und Perlen im hochgesteckten kastanienbraunen Haar stand auf, als Samantha eintrat, und Samantha hätte sie fast nicht wiedererkannt. Mit ausgestreckten Händen ging sie Samantha entgegen, strahlend glücklich.
    »Dr. Hargrave«, sagte sie, »ich freue mich so sehr!«
    Einen Moment lang sahen sie einander stumm an. Samantha genoß diesen Augenblick. Genau das ist es, dachte sie angesichts der tiefen Dankbarkeit in Hilarys Augen, wofür ich lebe. Etwas Schöneres kann ich mir nicht wünschen.
    Immer noch hielt Hilary Samanthas Hände. »Für das, was Sie für mich getan haben, Dr. Hargrave, müßte ich eigentlich vor Ihnen auf die Knie fallen.«
    »Sie beschämen mich, Mrs. Gant.«
    Noch einmal drückte Hilary Samantha die Hände, dann trat sie einen Schritt zurück. »Bitte setzen Sie sich doch. Ich lasse den Tee gleich kommen.«
    »Ich kann leider nicht lange bleiben, Mrs. Gant. Ich habe meine Tochter bei einer Nachbarin gelassen, aber wenn Miss Seagram unerwartet Besuch bekommen sollte, muß Jenny gehen.«
    Der Tee wurde in einem silbernen Samowar serviert. Samantha setzte sich auf einen Biedermeier-Sessel und nahm die Tasse aus feinstem Sèvresporzellan entgegen, die das Mädchen ihr reichte.
    »Sie müssen noch sehr jung gewesen sein, als Ihre Tochter geboren wurde, Doktor«, meinte Hilary verwundert und ein wenig neugierig.
    Samantha lachte. »Sie schmeicheln mir. Ich könnte leicht eine neunjährige Tochter haben. Aber sie ist adoptiert und lebt seit einem Jahr bei mir. Ich hatte selbst eine kleine Tochter, aber sie starb bei der DiphtherieEpidemie.«
    »Oh, das tut mir leid. Ein Kind zu verlieren, das ist das Schlimmste, was ich mir vorstellen kann. Ich weiß nicht, was ich …«
    Sie verstummte und starrte einen Moment gedankenverloren in ihre Teetasse. Es war so still im Zimmer, daß das Ticken der Standuhr deutlich zu hören war. Dann jedoch besann sich Hilary ihrer Rolle als Gastgeberin und setzte dem Moment der Besinnlichkeit mit einem freundlichen Lachen ein Ende.
    »Vor lauter Freude darüber, Sie wiederzusehen, Dr. Hargrave, hätte ich beinahe den Anlaß der Einladung vergessen.« Sie griff nach einem Briefumschlag und reichte ihn über den Teetisch.
    {289} Samantha stellte ihre Tasse nieder, nahm den Umschlag und öffnete ihn. Darin lag ein Scheck über eintausend Dollar.
    Sprachlos starrte sie auf das Blatt Papier in ihrer Hand. Als Honorar für die Operation hatte sie fünfzig Dollar verlangt. Sie war darauf und daran, den Scheck zurückzugeben, als ihr das Schulgeld einfiel, das sie im nächsten Jahr brauchen würde, um Jenny auf die Taubstummenschule nach Berkeley schicken zu können.
    »Ich danke Ihnen, Mrs. Gant«, sagte sie, faltete den Umschlag und steckte ihn ein.
    »Es ist viel zu wenig, Doktor. Wenn ich Ihnen eine Million Dollar geben könnte, würde ich es tun. Sie haben mir das Leben gerettet. Und Sie haben meine Ehe gerettet.« Die blauen Augen wurden feucht. »Mein Mann und ich haben wieder ein gemeinsames Schlafzimmer.«
    Samantha blickte durch die großen Fenster hinaus auf das glitzernde blaue Wasser der Bucht von San Francisco und die olivgrünen Hügel, die sich auf der anderen Seite von dem blauen Himmel abhoben. Wir glauben immer, die Reichen in ihren Palästen hätten keine Sorgen, aber sie sind so menschlich und so verletzlich wie wir alle …
    Die Schiebetür öffnete sich, und ein adrett gekleidetes Kindermädchen führte ein kleines Mädchen mit rotblonden Locken herein. Es gab Samantha einen Stich. Die kleine Merry war nicht viel älter, als Clair zur Zeit ihres Todes gewesen war.
    Hilary sprang auf und schwang das Kind lachend in die Höhe. »Da ist ja mein kleiner Schatz …«
    Während Samantha die Szene beobachtete, dachte sie an

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