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Sturmjahre

Sturmjahre

Titel: Sturmjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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gar nicht schnell und schmerzlos zu sein. Das verlang’ ich gar nicht. Gott wird wollen, daß ich dafür leide, aber du mußt mir nur versprechen, daß es wirkt.«
    Samantha zitterte. Ach, wüßte sie doch nicht, wie man das Mittel zubereitete, das Hannah von dem ungewollten Kind befreien würde, dann wäre die Entscheidung einfach gewesen. Aber sie wußte es, die Antwort lag ihr auf den Lippen, so einfach – ein Aufguß aus Baumwollsamen oder eine Flasche Rainfarnöl, in der Apotheke zu kaufen –, und am nächsten Morgen wäre Hannah befreit.
    »Hannah«, flüsterte sie. »Bist du ganz sicher?«
    »Ach, Samantha, glaubst du nicht, daß ich tagelang darüber gegrübelt habe? Meinst du wirklich, ich wüßte nicht, was ich verlange? Es bringt mich fast um, dich bitten zu müssen.« Hannah rannen die Tränen jetzt in Strömen über das Gesicht. »Das ist meine Strafe für das, was ich getan habe. Ja, das ist Gottes Strafe. Ich werde nie in den Himmel kommen, sondern in der Hölle verbrennen, aber –« Hannah ließ sich vornüber auf den Tisch fallen und schluchzte hemmungslos. »Ich tu’ es nur, um Sean den Schmerz zu ersparen, den ihm die Wahrheit bereiten würde.«
    Samantha sprang von ihrem Stuhl auf und nahm die weinende Hannah in die Arme.
    »Bitte hilf mir«, schluchzte Hannah. »Bitte mach, daß alles wieder so wird, wie es war. Ich nehme die ganze Schuld auf mich. Ich weiß, daß es nicht recht ist, dir das aufzubürden, aber ich habe sonst niemanden, an den ich mich wenden kann.« Ihre Stimme sank zum Flüstern. »Ich bin ganz allein …«
    »Nein, das bist du nicht, Hannah. Du hast mich. Wir stehen das gemeinsam durch.« Behutsam streichelte Samantha der Freundin über das Haar. »Hannah, gibt es wirklich keine Möglichkeit für dich, das Kind zu behalten? Wir könnten doch eine Weile zusammen verreisen und Sean dann sagen, es wäre mein Kind.«
    Hannah schniefte laut. »Ach, Samantha, das würdest du wirklich für mich tun? Aber dann müßtest du dein Studium aufgeben und dein Ruf wäre hin und du würdest vielleicht nie das Diplom kriegen. Nein, das möchte ich nicht auf dem Gewissen haben. Außerdem könnten wir gar nicht sagen, daß es ein fremdes Kind ist. An dem roten Haar würde je {186} der gleich sehen, daß es meines ist. Nein, Liebchen, ich hab’ wirklich hin und her überlegt; das ist die einzige Lösung.«
    Samantha starrte auf das Bord mit den Töpfen, das über dem Herd hing, und ihre Stimme klang brüchig, als sie sagte: »Hannah, ich sehe es aus tiefer Überzeugung als meine Aufgabe, Leben zu erhalten. Dieser Aufgabe habe ich mich verschrieben. Ich – ich kann kein ungeborenes Kind töten …«
    Hannah zog die Hände von ihrem Gesicht und sah Samantha mit nassen Augen an. »Und was glaubst du wohl, wie mir zumute ist? Ich weiß, daß ich mich versündige. Glaubst du etwa, ich liebe dieses kleine lebendige Wesen nicht, das da in mir wächst?«
    »Es tut mir leid, Hannah. Verzeih mir, daß es so hart klang. Ich glaube, ich kann mir vorstellen, was du durchmachst. Ich wollte dir nur begreiflich machen, warum – warum ich Bedenkzeit brauche. Ich bin durcheinander, Hannah. Laß mir ein wenig Zeit. Gib mir bis morgen, dann wird mir schon etwas einfallen.«
    Hannah seufzte einmal tief auf, dann zog sie sich aus Samanthas Umarmung zurück.
    »Ich bin auf einmal todmüde, Herzchen. Ich glaub’, ich geh’ rauf und leg’ mich hin.«
    »Hannah, verlaß dich auf mich. Ich werde versuchen, eine Lösung zu finden.«
    »Natürlich, Kind. Aber ich möcht’s nicht zu lang rausschieben. Wenn du mir nicht helfen kannst, muß ich nämlich zur Witwe Dorset gehen. Und die wohnt zwanzig Meilen von hier.«
    »Zur Witwe Dorset?«
    Hannah versuchte, tapfer zu lächeln. »Hast du noch nicht von ihr gehört? Sie ist die beste Hebamme in der ganzen Gegend. Außerdem sehr diskret, stellt keine Fragen, und man kann sich auf sie verlassen. – Laß den Eintopf nicht verkochen.«
    Samantha aß nichts. Nachdem sie den Eintopf vom Feuer genommen hatte, spülte sie das Teegeschirr, räumte auf und ging in ihr Zimmer hinauf.
     
    Sie war zornig. Sie wußte nicht, auf wen. Gewiß nicht auf Hannah, die ihr aus tiefstem Herzen leid tat. Auf den eingebildeten Oliver vielleicht, der ihr vorkam wie ein dicker Kater, der ungestraft aus dem Sahnetopf genascht hatte und sich befriedigt die Lefzen leckte. Vielleicht war sie sogar zornig auf sich selbst, weil sie nicht fähig war, die Situation zu meistern. Ihre

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