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Sturmkönige 01 - Dschinnland

Sturmkönige 01 - Dschinnland

Titel: Sturmkönige 01 - Dschinnland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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achtzehn Tiere. Der Wehrgang war an dieser Stelle gut dreißig Schritt breit. Aus seinen Fugen und Rissen wuchs buschiges Unkraut, das den Pferden besser zu schmecken schien als das dürre Gras unten am Flussufer.
    »Ich wusste nicht, dass es sie auch hier draußen gibt«, sagte Sabatea. »Ich dachte, dass sie die Dschinne ebenso fürchten wie wir und darum auf den Dächern Samarkands leben.«
    Die Elfenbeinpferde, die manchmal am Himmel über der Stadt zu sehen waren, waren Einzelgänger. Sie blieben nie lange an einem Ort, schliefen mal auf diesem Dach, mal auf jenem. Gelegentlich sah man sie draußen auf den Feldern fressen, aber sie stiegen sofort in die Lüfte auf, sobald ihnen jemand zu nahe kam. Manch einer hatte versucht, eines einzufangen, auch die Stallmeister des Emirs. Vergeblich.
    Junis ließ den Teppich noch langsamer werden. Zuletzt schwebten sie reglos in der Luft, keinen Steinwurf von den Zinnen entfernt.
    Eines der Elfenbeinpferde hob den Kopf. Blickte genau in ihre Richtung. Es sieht mich an, durchfuhr es Sabatea. Vielleicht dachte Junis das Gleiche.
    Die Mähne des Pferdes tanzte in armlangen Wirbeln, eine glühende Aureole um sein Haupt, erleuchtet vom Abendrot über der Karakumwüste. Ein tiefer Ernst lag in seinem Blick. Es schien die beiden auf ihrem fliegenden Teppich einer argwöhnischen Prüfung zu unterziehen, als beobachtete es einen Löwen, der sich gemächlich an seine Herde heranpirschte.
    »Sie sind wunderschön«, flüsterte Junis.
    »Wie können sie hier draußen nur leben?«
    Noch immer machten die Tiere keine Anzeichen, die Flucht zu ergreifen. Ein zweites blickte in ihre Richtung, zögerte kurz und graste dann weiter. Nur das Pferd, das sie als Erstes entdeckt hatte, stand weiterhin bewegungslos da und behielt sie im Auge.
    »Warum fliegen sie nicht davon?«, murmelte Sabatea.
    »Warum fliegen wir nicht davon?«, entgegnete Junis.
    Sie verstand erst einen Moment später, was er meinte. Und womöglich hatte er Recht. Das Elfenbeinpferd, das zu ihnen herübersah, mochte ebenso neugierig sein wie sie. Sie bekam eine Gänsehaut, als ihr der Grund bewusst wurde: Weil es hier draußen keine Menschen mehr gab. Weil der Anblick eines Mannes und einer Frau für die Pferde ebenso ungewöhnlich und faszinierend war wie ihrer für Sabatea und Junis.
    »Können wir nicht landen?«, fragte sie.
    »Das würde sie vertreiben.«
    »Versuchen wir’s. Ich möchte sie von Nahem sehen. Außerdem kann ich meine Füße nicht mehr spüren.«
    Er warf ihr über die Schulter einen prüfenden Blick zu, dann seufzte er leise. Sehr, sehr vorsichtig setzte sich der Teppich wieder in Bewegung, nicht in gerader Linie auf die Herde zu, sondern in einem weiten Bogen, der sie gut zwanzig Meter entfernt auf den Wall tragen würde.
    Das Pferd zuckte und spreizte die Schwingen. Noch immer löste es sich nicht vom Wehrgang. Stattdessen öffnete und schloss es die weiten Flügel und gab leise Geräusche von sich. Sie klangen nur entfernt wie Wiehern, gekreuzt mit dem Gurren einer Taube und dem Schnarren eines kunstvollen Mechanismus aus Zahnrädern und Federn. Sabatea hatte einmal im Palast eine Eule aus Silber und Gold gesehen, die ihren Kopf zwischen den Schultern hervorschieben und rotieren lassen konnte. Das Werk eines Kunstschmieds aus Griechenland. Als der Emir es in einem seiner Wutanfälle zu Boden geschleudert hatte, war die Rückseite aufgeplatzt. Dutzende kleine Rädchen, Ringe und Spiralen waren über den Marmor gehüpft. Man hatte sie zusammengefegt und zurück ins Innere geschoben, doch die Eule war nie wieder zum Leben erwacht.
    Das magische Spielzeug des Emirs hatte ähnliche Laute von sich gegeben, wie sie nun aus dem Maul des Elfenbeinpferdes drangen. Nur dass sie hier organischer klangen, durchmischt mit echten Tierstimmen.
    Junis senkte den Teppich auf den Wehrgang hinab. Weit genug von den Tieren entfernt, um zu signalisieren, dass sie keine Gefahr für die Herde bedeuteten.
    Das Leittier stand noch immer mit gespreizten Schwingen da, als wollte es die übrigen Tiere vor den Blicken der beiden Menschen schützen. Sabatea und Junis bewegten sich nicht. Saßen einfach nur da und beobachteten.
    Die übrigen Pferde ließen von dem Unkraut in den Mauerfugen ab. Gleichzeitig hoben sie die Köpfe – und sahen die Menschen auf dem Teppich an, der jetzt wie gewöhnliches Knüpfwerk auf dem Stein lag und dort fast deplatzierter wirkte als im freien Flug in der Luft.
    Die Schatten der Zinnen waren an den

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