Sturmkönige 01 - Dschinnland
gefallen wäre. Wenn schon ihre Träume ihr fast den Verstand raubten, dann würde es ein echter Kerker erst recht tun. Selbst ein paar Tage in den Verliesen der Stadtmiliz hätten sie umgebracht.
Erst hier draußen hatten die Alpträume nachgelassen. Nicht gänzlich, auch wenn sie versuchte, die Wahrheit vor ihm zu verheimlichen. Aber in der ersten Nacht hatte sie ruhiger geschlafen, vielleicht aus Erschöpfung, vielleicht auch, weil Samarkand tatsächlich ein Gefängnis war, dem sie endlich den Rücken gekehrt hatte.
Sie hob den Blick und sah hinüber zu den leeren Dünenhängen. »Es ist schön hier. Trotz allem, was geschehen ist.«
Er wollte etwas erwidern, als sie unvermittelt die Stirn runzelte. Gleich darauf schüttelte sie den Kopf. Nur eine Windhose, die jenseits eines Sandbuckels aufstob und Staubwehen herab in die Senke trug.
Er zog sie noch einmal an sich, aber sie versteifte sich in seiner Umarmung. Er löste die Lippen von ihren, zog den Kopf zurück und sah sie an. »Was ist?«
Sie blickte über seine Schulter. Ihre Augen weiteten sich.
Noch während sie einen Schritt zurückmachte, wirbelte er herum. Als er das Krummschwert packte, stieß er damit den Eimer von der Brunnenmauer. Das hölzerne Gefäß stürzte zurück in den Schacht, riss das Seil mit in die Tiefe und prallte dumpf aufs Wasser.
Sein Blick fiel auf eine Gestalt zwischen den Palmen.
Maryams Stimme klang beherrscht. Aber unter der gefassten Oberfläche spürte er ihre Unruhe.
»Wer ist das?«, flüsterte sie.
Wiedersehen
»Wer ist das?«, flüsterte Sabatea.
In der Dunkelheit ertönte ein Scharren. Es klang nach den Schritten eines Menschen.
Sie und Junis hatten kein Feuer entzündet, nur eine Öllampe. Ihr Lager befand sich in einem engen Felskessel, die Flamme erhellte nur einen Umkreis von wenigen Schritten. Ein mattes Flackern geisterte über Wände aus Sandstein.
Junis ergriff sein Schwert, eine schartige Soldatenklinge, die er sich von einem Trödler auf dem Basar hatte aufschwatzen lassen. Das Eisen war rostig, trotz all seiner Versuche, die Klinge zu polieren. Sabatea verfluchte sich, weil sie ihm keine neue Waffe gekauft hatte. Aber er schien an dem stumpfen Ding zu hängen, weil es die erste Klinge war, die er selbst gekauft hatte. Vermutlich von den Dinaren, die er Tarik gestohlen hatte.
Sie kniete auf dem Teppich, die Öllampe stand neben ihr, unweit davon die Sanduhr. Kaum mehr als eine Stunde war vergangen, seit sie hier gelandet waren. Der enge Felskessel, kaum fünf mal fünf Meter breit, besaß nur zwei Zugänge – der eine führte durch einen dunklen Spalt hinaus in ein Labyrinth aus haushohen Felsbrocken, der andere aufwärts in den Nachthimmel.
Junis näherte sich dem Spalt. Die gebogene Schwertspitze wies vor ihm ins Dunkel. Das Bündel aus Drachenhaar hatte er sich noch immer um die Taille geschnallt.
»Was tust du denn?«, fauchte sie ihn an.
Er flüsterte über die Schulter: »Falls da draußen etwas ist, das uns verfolgt, müssen wir es loswerden, bevor es die Dschinne auf unsere Spur lockt.«
»Und wenn es selbst ein Dschinn ist?«
Junis schüttelte den Kopf. »Dschinne fliegen. Sie würden uns aus der Luft angreifen. Wir würden gar nicht hören können, wenn sie näher kämen.«
Großartig. Aber er hatte natürlich Recht. Dschinne würden sich nicht anschleichen und erst recht keine Schrittgeräusche verursachen. Die meisten hatten nicht einmal Beine.
Was nichts daran änderte, dass es hier draußen noch eine Menge anderer Kreaturen gab, denen Sabatea nicht über den Weg laufen wollte. Mit einer stummen Beschwörung schob sie hinter seinem Rücken die Hand in das Muster des Teppichs. Zur Not würde sie ohne Junis aufbrechen. Noch immer ahnte er nicht, dass sie sich auf den Umgang mit einem fliegenden Teppich verstand. Aber sie gab sich keinen Illusionen hin: Sie besaß kaum Übung, und einem Angriff von Dschinnen in der Luft würde sie nicht entkommen. Ganz zu schweigen davon, dass ihre Fähigkeiten, den Weg anhand von Sonne und Sternen zu finden, begrenzt waren. Die Karte seines Vaters aber trug Junis unter seinem Wams wie einen Talisman.
Das Muster schmiegte sich um ihre Finger. Noch gab sie keine Befehle, hielt sich aber bereit. Sie würde kein Risiko eingehen, falls Junis unbedingt den Helden spielen wollte. Wenn er meinte, sie beeindrucken zu müssen, würde sich eine bessere Gelegenheit finden. Nicht zum ersten Mal wünschte sie sich, Tarik wäre hier. Was ihm an Manieren
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