Sturmkönige 01 - Dschinnland
Augen ließ.
»Ich weiß, dass du mir die Schuld gibst für das, was geschehen ist. Du brauchst dir nicht noch andere Gründe zu suchen, um wütend auf mich zu sein.«
In einem Anflug von Resignation schüttelte er den Kopf. »Ich mache dir keinen Vorwurf… Ich wünschte mir, ich könnte mir dieses stinkende Dschinnblut vom Körper waschen.«
Unter dem Teppich rasten die Dünen dahin, während vor ihnen die Berge emporwuchsen. Keiner der Gipfel war besonders hoch, doch inmitten der weiten Karakumwüste wirkten die grünen und grauen Hänge wie etwas Fremdes, das nicht in diese Einöde gehörte. Je näher sie dem Kopet-Dagh kamen, desto breiter wurde das Panorama dieser Berge, bis es die Wüste mit einem Mal hinter ihren Rücken drängte und ihr gesamtes Blickfeld ausfüllte.
Ohne Ankündigung ließ Tarik den Teppich absinken und flog niedriger über dem Boden. Die Ausläufer der Dünen gingen in verstepptes Grasland über. Die Menschen, die einst hier gelebt hatten, hatten ihre Dörfer in den fruchtbaren Tälern im Inneren des Gebirges errichtet. Die wenigen Ansiedlungen an den äußeren, der Wüste zugewandten Hängen waren lange vor dem Auftauchen der Dschinne aufgegeben worden; die Sandstürme der Karakum waren zu oft gegen diese Berge geprallt, hatten die Ernten vernichtet und das urbar gemachte Land unter knöchelhohem Staub begraben. Aus der Ferne entdeckte er eines dieser Geisterdörfer, eine Felskrone aus zerfallenen Ruinen, die sich kaum von den kahlen Berghängen abhob.
Seit Stunden, seit ihrer Flucht aus der Oase, behielt er den Horizont hinter ihnen im Auge und hatte doch nichts entdeckt als Windhosen, die einsam über die Dünen tanzten. Falls die überlebenden Dschinne ihre Verfolgung aufgenommen hatten, so hatten sie ihnen einen Vorsprung gewährt, den sie nicht mehr einholen konnten.
»Vielleicht versuchen sie, ihren Magier wieder einzufangen«, sagte Sabatea, als sie seine Blicke bemerkte. Dann deutete sie wieder auf den Bergkamm. »Du hast doch eine Vermutung, oder?«
»Mir fällt nur ein einziger Ort in diesem Gebirge ein, der nicht höher liegt als die Wüste. Aber ihn in Besitz zu nehmen würde Mut erfordern – selbst für einen Dschinnfürsten und sein Gefolge.«
»Was für ein Ort ist das?«, fragte sie ungeduldig.
Er schätzte den Stand der Sonne hinter den Gipfeln ab und korrigierte die Flugrichtung des Teppichs ein wenig nach Süden. »Hast du je von den Hängenden Städten der Roch gehört?«
Ein langer Moment des Schweigens verstrich. Kein Zögern, sondern eine konzentrierte, beinahe schmerzhafte Stille, während derer nur das Säuseln des Gegenwinds an ihre Ohren drang.
»Die Roch«, wiederholte sie leise. »Wenn man den Legenden glaubt, waren sie nicht ungefährlicher als die Dschinne.«
»Keine Legenden«, erwiderte er kopfschüttelnd.
»Es heißt, sie hätten Menschen als Sklaven gehalten und kaum mehr als Tiere in ihnen gesehen.« Sie klang, als spräche sie über einen Mythos, und genau das war es wohl auch für sie.
Tarik hatte Verständnis für ihre Zweifel. Sie waren beide mit der Bedrohung durch die Dschinne groß geworden; aber sie zu akzeptieren bedeutete nicht, jedes andere Zauberwesen für bare Münze zu nehmen, mit dem die Geschichtenerzähler auf den Basaren die Kinder erschreckten.
Menschen mit Flügeln. Raubvögel in Menschengestalt.
»Dann sind die Horste der Roch hier in der Nähe?«, fragte Sabatea benommen. »Die Hängenden Städte befinden sich irgendwo im Kopet-Dagh?«
»Ich hab sie nicht mit eigenen Augen gesehen. Aber ich denke, ich weiß, wie man hingelangt. Mein Vater hat davon gesprochen.«
»Dann hat er sie gesehen?«
»Jedenfalls ist er nahe genug herangekommen, um zu erkennen, womit er es zu tun hatte. Er hat ihre verlassenen Nester gesehen. Und die Ruinen der Menschenpferche.«
»Und du glaubst, dass sich dort jetzt die Dschinne verkriechen? «
»Denkst du, dass ihnen die alten Legenden Angst einjagen? Wenn die Dschinne tatsächlich Menschen einfangen und in diese Berge bringen – und danach sieht es nun mal aus –, dann sind die Pferche der Roch dafür wie geschaffen.«
Sie blickte hinauf zu einem Pass, den sie bald überqueren würden, um in die dahinter liegenden Täler des Kopet-Dagh vorzustoßen. Was auch immer sie dort finden würden – es lag zwischen ihnen und Bagdad wie eine Mauer.
»Du bist fest entschlossen, das zu tun, nicht wahr?«, flüsterte sie. »Für Junis.«
Er wünschte, er hätte sagen können: Junis hätte
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